Alan Bradley: Flavia de Luce 11 – Des Henkers letzte Mahlzeit, Aus dem Englischen von Gerald Jung, Katharina Orgaß, Penhaligon Verlag, München 2024, 288 Seiten, €22,00, 978-3-7645-3316-8
„Eine Frau zu werden, gehörte nicht zu meinem Plan. Die Vorstellung, eine Dame zu werden, war sogar noch erschreckender. …
Mädchen meines Alters sind unsichtbar. Man schert sich einen Dreck – oder sonst was – um uns. Doch kaum sind wir Frauen, werden wir zu Objekten der Begierde, falls wir uns nicht Scherzartikelgebisse und künstliche Warzen besorgen und unsere Kleider von Vogelscheuchen stibitzen.“
Seit 2009 ( „Flavia de Luce – Mord im Gurkenbeet“ ) veröffentlicht der nun mittlerweile sechsundachtzigjährige, englische Autor Alan Bradley seine Kriminalgeschichten, in denen das ziemlich unsichtbare, wie altkluge, aber auch clevere Mädchen Flavia de Luce die Fälle löst. Ihre Leidenschaft für die Chemie und die Wissenschaften wird zwar im Jahre 1953 von allen belächelt, aber sie ist erfolgreich, auch wenn Inspektor Hewitt ihre Einmischungen nie ernst nimmt und sich dann korrigieren muss.
Flavia lebt mit ihrer Familie auf Buckshaw, dem Familiensitz der de Luces, unweit der Ortschaft Bishop’s Lacey. Ihre Eltern sind inzwischen verstorben und Flavias Schwestern interessieren sich kaum für den Nerd in der Familie, der auch noch mit seinem Fahrrad Gladys spricht. Neuerdings nervt Flavia ihre jüngere Cousine Undine, die zu gern ihre Nase in alles steckt, was sie nichts angeht. Als Vertraute zählen für die doch einsame Flavia der Gärtner Dogger und die Haushälterin Mrs. Mullet, deren Kochkünste nicht grundsätzlich von jedem Familienmitglied geschätzt werden. Und dann passiert natürlich ein Todesfall. Major Greyleigh, der allein und abseits in einem Cottage lebt, wurde wahrscheinlich vergiftet. Inspektor Hewitt verdächtigt die arme Mrs. Mullet, die wie jedes Jahr ihre höchst selbst gesammelten Pilze in Gerichten verarbeitet. Doch nun soll sie damit den Major in den Tod geschickt haben. Flavia zweifelt, aber sie bemerkt auch, dass die verheiratete Mrs. Mullet irgendetwas verschweigt. Wie immer spricht Flavia die Lesenden an. Natürlich wird Flavia, obwohl Inspektor Hewitt ihr strengstens klargemacht hat, dass sie ihre Finger von dem Fall lassen soll, das Cottage des Opfers durchsuchen. Und sie wird Reste des Pilzgerichtes chemisch analysieren und feststellen, dass die Haushälterin auf keinen Fall die Giftmörderin sein kann. Das nachgewiesene Saxitoxin stammt nicht aus Mrs. Mullets Küchenschrank. Da nun mittlerweile entdeckt wurde, dass der so ruhig lebende Major Greyleigh eine durchaus bewegte Vergangenheit hinter sich hat, gewinnt die Geschichte an Substanz. Immerhin hat das Opfer als Henker gearbeitet und das auch in der Nachkriegszeit. Wer hat sich nun an Major Greyleigh gerächt, die Nachfahren seiner Opfer oder gibt es noch ganz andere Motive, die der ortsansässigen Polizei mal wieder entgehen?
Flavia wird herausfinden, in welcher Beziehung Major Greyleigh und die Haushälterin wirklich standen und sie wird ihren sehr lebendigen, angeblichen toten Vater, der sich immer hinter seiner Briefmarkensammlung versteckt hat und mehr Geheimnisse verbirgt als geahnt, bei all ihren, auch nächtlichen Recherchen entdecken.
Wohltuend altmodisch verstaubt liest sich auch dieser Krimi, in dem es auf althergebrachte, äußerst spannende Weise darum geht, wer der Mörder ist und was das alles mit Flavias Vater zu tun hat. Skurrile Nebenpersonen mit ihren Schrullen schmücken die Handlung und führen die Lesenden auf falsche Spuren. Immer wieder spielt Alan Bradley in seinem neuen Roman auf Literatur, aber auch Zeitgeschichtliches an und lässt seine junge Protagonistin in Monologen ein paar sarkastische wie unfeine Gedanken formulieren.
Weitere Besprechungen aus der „Flavia de Luce“ – Reihe in diesem Literaturblog!