Hanna Meretoja: Die Nacht der alten Feuer, Aus dem Finnischen von Stefan Moster, Mare Verlag, Hamburg 2024, 448 Seiten, €26,00, 978-3-86648-719-2
„Vielleicht schrumpft sie in den Augen ihres Mannes zur Patientin zusammen, zur Last. Er hat schon einmal im Streit gesagt: Ich werde jetzt deine Pflegeperson. Der Ausdruck traf Elea wie ein Peitschenhieb.“
Sie wollten eigentlich in ihrem Haus in den Schären ein frohes Lebensfeuerfest mit Freunden feiern.
Doch nun hat sich für Elea zum Ende des Sommers alles verdunkelt. In der Nacht der alten Feuer, dem letzten Samstag im August, wird sie Salma, Matias und Aura erzählen müssen, dass sie an Brustkrebs erkrankt ist. Zuerst war es nur eine harmlose Verdickung, behaupteten die Ärzte, die man leicht entfernen könnte. Doch dann stellte sich immer mehr heraus, dass der Krebs bereits gestreut hat. Ihre Kinder Iiris und Elliot, beide noch nicht mal in der Pubertät, hat Elea bereits eingeweiht und ihnen so wahrscheinlich die Kindheit genommen. Denn das Schicksal der Kinder ist ihre größte Sorge, auch wenn sie mit Otto einen vertrauenswürdigen Partner an ihrer Seite hat. Alles scheint auf das Ende zuzugehen. Dabei hat sie als erfolgreiche Literaturwissenschaftlerin ihr eigenes Buch noch gar nicht geschrieben. In der Mitte des Lebens diese Diagnose, die jeden ereilen kann, auch wenn er noch so gesund lebt.
„Die Onkologin hat gesagt, Krebs resultiere zumeist aus zufälligen Fehlern bei der Zellteilung. Vermutlich wird sie nie erfahren, warum gerade sie Krebs bekommen hat – auch nicht, ob er von einem bestimmten Handeln oder Geschehen, das zu vermeiden gewesen wäre, in Gang gesetzt wurde oder vom reinen Zufall. Warum empfindet sie diesen Gedanken als so niederschmetternd?“
Elea kann mit der Krankheit nur umgehen, wenn sie so viel wie möglich an Informationen dazu finden kann. Und nun mitten in der Natur, im Werden und Vergehen in den Turkuer Schären, quält die Tatsache des Endlichen Elea am meisten. Matis, der immer noch ein bisschen in Elea verliebt ist, kann als Kinderarzt nicht viel beisteuern. Auch die anderen Freundinnen, und hier kommt es zu Konflikten, sagen Unausgegorenes, dass Elea eher aufregt als beruhigt.
Hanna Meretoja findet eine ganz besondere Sprache, um die Lesenden in das Schicksal Eleas in diesem Sommer hineinzuziehen. Bei aller Ernsthaftigkeit verfällt die Autorin nie ins Pathos.
Eigentlich wollten Elea, Otto und die Freunde sich Meeresgeschichten am Feuer erzählen, doch nun rückt Eleas tragische Geschichte in den Mittelpunkt. Damit sie aus dem Focus für eine Weile verschwindet, beharrt Elea auf den abgesprochenen Meeresgeschichten, bei denen die Freunde ganz im bekannten, klassischen Kanon verbleiben. Natürlich geht es um den „Alten Mann und das Meer“, aber auch Hans Christian Andersens „Kleine Meerjungfrau“ versus Disney-Kitsch, „Der Leuchtturmwärter“ von Jeanette Winterson und „Das Sommerbuch“ von Tove Jansson.
Die Tage plätschern dahin, es gibt harmonische Momente, aber auch heftigen Streit, auch zwischen Otto und Elea, die Ottos Art ohne Strukturen planlos in den Tag hineinzuleben, Angst macht, wenn er mit den Kindern in absehbarer Zeit allein sein wird.
Ein Buch rund um den hereinbrechenden Tod und das Sterben, aber eigentlich auch übers Leben mit all seinen wunderbaren Facetten.