Caroline Peters: Ein anderes Leben, Rowohlt Verlag, Hamburg 2024, 239 Seiten, €23,00, 978-3-7371-0165-3
„‚Niemand, der auf sich hält, macht es so wie alle anderen und ist pünktlich.‘ Hannas Verachtung für die schwächlichste aller Verhaltensweisen: es so machen wie alle anderen.“
Wenn bekannte Schauspieler und Schauspielerinnen Bücher schreiben und medienwirksam veröffentlichen, kann es literarisch, mit Ausnahmen, interessant sein. Oftmals sind die Handlungen dieser Bücher nicht fiktiv, sondern angelehnt an eigene Biografien und stark oder weniger auffallend verfremdet. Natürlich will man lebenden Verwandten, Kollegen oder gar Freunden und Freundinnen nicht auf den Schlips treten.
Bei Caroline Peters ist es, wie sie in vielen Interviews bisher verraten hat, auch so. Es geht im weitesten Sinn um ihre eigene Mutter und die nicht immer leichte Beziehung von Tochter und Mutter, angesiedelt in Westdeutschland in den 1970er und 80er Jahren.
Alles beginnt mit der Beerdigung des Vaters Bow, der eigentlich Peter Ramspeck heißt. Wie ein roter Faden zieht sich diese Zusammenkunft von Familie und Freunden durch die Geschichte und bietet immer wieder Anlässe zurückzuschauen und den Erinnerungen an die Mutter Hanna nachzugehen. Sie ist vor einiger Zeit verstorben und hasste es, wenn Menschen bei Beerdigungen Sand auf den Sarg warfen. Ihre Ansichten hat Hanna vehement vorgetragen und sie hat für die damalige Zeit ein durchaus originelles Leben geführt. Als Ich-Erzählerin und Beobachterin kommt Hannas jüngste Tochter zu Wort. Sie hat zwei Halbschwestern, denn Hanna, die promovierte Germanistin und Slawistin, war nacheinander mit ihren drei Studienfreunden aus Heidelberger Zeiten verheiratet. Laura ist die Tochter von Klaus, dem Mann, der Hanna schon immer geliebt hat, Lotta ist die Tochter von Roberto, dem italienischen Hallodri, wo die Ehe nicht lang gehalten hat und die Kleine, die erwachsene Erzählerin ist die Tochter von Bow. Aufgewachsen sind die Mädchen zusammen im Haus des Architekten Bow in Köln. Er hat für alle das Nest gebaut, aber auch hier konnte Hanna nicht bleiben, denn Bow hat ihr nie den Raum in vielerlei Hinsicht zugestanden, den sie auch für ein künstlerisches Leben gebraucht hätte. Hanna, die in der Familienhistorie die antibürgerliche Verrückte ist, war nie die typische Mutter, die um ihre Kinder gekreist ist. Diese mussten ziemlich schnell selbstständig werden, was ja auch seine Vorteile haben kann. In vielen erinnerten Episoden, die Schwestern würden sicher ein anderes Buch schreiben, entwirft die Erzählerin ein differenziertes Bild der Mutter, die vieles, ob beruflich oder familiär bedingt nicht erreichen konnte. Sie liebte die Literatur und vor allem die russische Lyrik, die sie auch übersetzt hat. Durch die Erinnerungen nähert sich die Schreibende der Mutter an und versteht im Nachhinein auch vieles, was sie zum damaligen Zeitpunkt nicht verzeihen konnte.
„Wir vertieften uns gemeinsam in ihre Worte. Handgewobene Teppiche aus dem Orient konnten nicht schöner sein.“
Caroline Peters Debüt ist wunderbar kurzweilig, klug und sehr lebendig immer mit einem listigen Augenzwinkern geschrieben, besonders wenn es um die Schwächen der anderen und die der Ich-Erzählerin geht. Wie findet man das glückliche Leben? Was muss man dafür hinter sich lassen oder existiert es eigentlich gar nicht? Ein Buch mit Fragen ohne Antworten – sehr empfehlenswert!