Maud Ventura: Mein Mann, Aus dem Französischen von Michaela Meßner, Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2024, 272 Seiten, €24,00, 978-3-455-01804-2

„Wenn ich an mein eigenes Glück denke, ist es immer mit Zweisamkeit verknüpft: Wir sind allein, und wir sind zu zweit. Ich kann nichts dafür, mein Paradies ist das Duo, das Paar.“

Dieser Roman, und das will er hoffentlich, wirft viele Fragen auf.
Die französische Autorin Maud Ventura schaut eine Woche ins Leben eines namenlosen, wohlhabenden Paares, das sich fünfzehn Jahre kennt. Die Frau ist die Ich – Erzählerin und der Mann ist einfach nur „ihr Mann“. Er arbeitet im Finanzsektor, sie haben zwei Kinder im Alter von sieben und neun Jahren und sie wohnen in einem großen Haus in einem Vorort. Idylle pur, denn sie liebt ihn wie am ersten Tag und unternimmt alles, damit sie seine Aufmerksamkeit erregt. Da sie aus einer Arbeiterfamilie stammt, muss sie sich ihren gesellschaftlichen Aufstieg, insbesondere die Rituale und Etikette der Bourgeoisie erarbeiten. Als intelligente Beobachterin fällt ihr das nicht schwer, auch wenn sie immer wieder durch Kontakte zu Freunden ihres Mannes oder seine Familie verunsichert wird. Natürlich verhilft das Geld ihres Mannes ihr zu teurer Kleidung, Schuhen, Taschen und einem gepflegten Äußeren, das ihr Selbstbewusstsein hebt. Die gut Vierzigjährige liebt ihren Beruf als Englischlehrerin, übersetzt aber auch Sachbücher und Belletristik. Ihre Kinder scheinen sie wenig zu interessieren, auch deren Betreuung läuft offenbar konfliktfrei.
Beim Lesen fragt man sich unwillkürlich, warum diese offenbar auch attraktive, bildschöne Frau sich selbst so in Frage stellt und alles, auch die von ihr betonte Liebe zu ihren Kindern, der obsessiven Liebe zu ihrem Mann, der ein genialer Geschichtenerzähler ist, unterordnet. Geradezu neurotisch führt sie über alles Buch, als würde es ihr entgleiten, wenn sie es nicht schriftlich festhalten würde. Die Inszenierung ihres Lebens kostet sie auch ungeheure Kraft, denn sie ist immer auf der Hut, wenn sie argwöhnisch auf jede Geste ihres Mannes schaut. Doch dieser reagiert auf ihre Tränen kaum, denn wenn sie wirklich sauer auf ihn ist, verliert sie kein Wort. Sie durchwühlt seine Sachen, sucht permanent nach Anzeichen von Untreue, Geheimnissen und straft ihren Mann, indem sie sexuell Beziehungen mit anderen Männern eingeht. Würde er Tagebuch führen, so ihre Gedanken, müsste sie nicht ständig seinen Computer oder sein Smartphone kontrollieren.

„Ich habe einmal den Fehler gemacht, meinen Mann nach den drei Wörtern zu fragen, die mich charakterisieren. Er antwortete mir ohne langes Zögern: sehr schön, kalt, verliebt, wachsam.“

Verliebt ist die Frau angeblich in die Liebe, nicht den Mann, mit dem sie verheiratet ist. Als Referenz verweist sie auf Marguerite Duras‘ Roman „Der Liebhaber“ und sie berichtet vom Lieblingsfilm der Erzählerin, die zu ihrem Geburtstag lieber nach Rom als Venedig reisen würde, da sie den Film „Ein Herz und eine Krone“ liebt. Doch was soll diese ganze unzeitgemäße, verpflichtende weibliche Unterordnung in einer Zweierbeziehung, die devote Haltung dem Ehemann gegenüber, die panische Angst, bei jeder Kleinigkeit, ( immerhin geht sie eindeutig fremd, das wäre ein Scheidungsgrund ) vor einer Androhung, die Scheidungspapiere zu erhalten? Die Frau verleugnet vehement ihr Individualität, verbannt jegliche Authentizität und ist alles andere als entspannt, in einem doch privat und beruflich erfüllten Leben.

Im Epilog kommt endlich der Mann zu Wort, der seine Frau genauso beobachtet, ihre Aufzeichnungen durchsucht und ihre Fehltritte belächelt. Nur die Androhung eines Gespräches macht sie schon gefügig für seine Wünsche.

„Die Nummer-1- Bestsellersensation aus Frankreich“, so der Verlag, liest sich ausnehmend gut, lässt aber im Laufe der Handlung mit ihren widersprüchlichen Protagonisten die Lesenden, die einen mehr, die anderen weniger, verzweifeln. Der erschreckende Konservatismus der dreißigjährigen Autorin, diese vermeintliche Liebe, die eher auf Kontrolle als Gleichberechtigung aus ist, schockiert. Soll der Gedankenstrom der Frau provozieren, Diskussionen hervorrufen oder eine Gesellschaft spiegeln, in der nur ein künstliches Leben ein harmonisches sein kann?