Sara Strömberg:Im Unterholz, Aus dem Schwedischen von Leena Flegler, Blanvalet Verlag, München 2024, 432 Seiten, €16,00, 978-3-7645-0861-6
„ Was hatte ich überhaupt hier verloren? Mein Job hatte von Anfang an gelautet, über diejenigen zu schreiben, die noch am Leben waren, die immer ängstlicher wurden, weil sie nicht wussten, ob sich vor Ort ein Irrer herumtrieb. An welchem Punkt hatte sich das verändert? War ich jetzt hier, weil ich mich mit Maria identifizierte? Mitunter fühlte es sich an, als wären wir beide aus dem Leben gespült und an einen verlassenen Strand angeschwemmt worden.“
Die schwedische Autorin Sara Strömberg siedelt ihren Kriminalroman in Jämtland an, einer Region mit dichten Wäldern an der Grenze zu Norwegen. Im Zentrum stehen keine Ermittler, sondern eine Lokalreporterin, die nach dreißig Jahren Freiberuflichkeit bei der Jämtlandposten aus Sparmaßnahmen entlassen wurde. Vera Bergström ist nun sechsundfünfzig Jahre alt und hat sich in ihrer Enttäuschung in Järpen eingerichtet. Dabei hatte sie kaum noch Lust, bei jedem Wetter über Land zu fahren, um Artikel schreiben zu können. Und doch, sie hängt an ihrem Beruf und denkt sogar bei Ereignissen in Headlines. Nun arbeitet sie als Hilfslehrerin. Das Haus ihres Vaters musste sie verkaufen, da dieser nun dement in einem Pflegeheim lebt. Ihr langjähriger Lebenspartner hat sich in eine andere, natürlich jüngere Frau verliebt und Vera sitzt in ihrer neuen, ungeliebten Wohnung neben ihren auch nach Monaten nicht ausgepackten Koffern und trinkt zu viel.
Kursiv wird die Geschichte von Maria erzählt, einer unglücklichen wie gefühlskalten Fünfzehnjährigen.
Und dann geschieht ein grausiger Mord in den Wäldern bei Kall neben einem Hochsitz. Die Tote ist Isabella Sandgren, die vor kurzem ein einsames Haus gekauft hat und ein Baby bekommen hatte. Wer der Vater war, ist nicht bekannt. In rasender Wut hat der Täter oder die Täterin auf ihr Opfer eingestochen. Da Vera nun vor Ort ist, erhält sie von ihrem ehemaligen Chef, genannt Strömmen, einen ersten Auftrag. Eigentlich ist Vera, die angeblich nicht mehr gebraucht wurde, nicht bereit, für die Zeitung zu schreiben. Doch siegt die Neugier auf diesen Fall. Sie beginnt mit ihren Recherchen und verfasst zuerst einen Bericht über die Atmosphäre im Ort, was sie Leute so denken und auch über die stille Isabella wissen. Per Zufall findet Vera am Tatort das Handy des Opfers und registriert letzte Anrufe und eine bedrohliche SMS.
Da sich der kursive Text über die übergewichtige Maria und ihren Freundeskreis fortsetzt, ist schnell klar, dass sie mit dem Mord Isabellas zu tun hat.
Als die Polizei dann Krister Arvidsson, den Verkäufer des Hauses und Stalker von Isabella, festnimmt, scheint der Fall gelöst zu sein. Doch Vera hat Zweifel, denn auch Isabellas verwirrte Mutter Rakel stirbt plötzlich bei einem Unfall. Vera fühlt sich von einem Auto verfolgt und dringt trotz Zweifel immer tiefer in die Familiengeschichte von Isabella Sandgren, die die Maria aus dem kursiven Text ist, ein. Aber Vera reflektiert auch über die eigene berufliche Perspektive, das Älterwerden und erinnert Szenen aus ihrer Vergangenheit, die sie heute bedrücken. Diese Passagen geben der literarischen Figur in diesem Debütroman die Tiefe, die in anderen Büchern des Genres keine Rolle spielen.
Als dann Jörgen Elofsson, die Angst hat, das nächste Opfer zu sein, bei Vera auftaucht, beginnt die Geschichte langsam Kontur anzunehmen. Jörgen und Isabella, damals Maria, hatten als Teenager ein Gewaltverbrechen begangen: Und nun scheint nach so vielen Jahren jemand Rache nehmen zu wollen?
Spannend liest sich diese Geschichte von Schuld, Vergebung und Abrechnung. Keine kleinteilige Polizeiarbeit, keine Aussagen von Pathologen oder gar Forensikern beschäftigt den Lesenden, sondern eine gebrochene Frau, die ihrer Passion nachgeht und sich nach und nach in Gefahr begibt bis der Fall aufgeklärt ist.