Philip Webb: Nur 6 Tage, Aus dem Englischen von Frank Böhmert, Chicken House, Hamburg 2012, 352 Seiten, €16,95, 978-3-551-52031-9

„Tja, die Welt, die du noch vor dreißig Sekunden in- und auswendig kanntest, ist eben verschwunden, also sagen wir der neuen Welt mal Hallo. Die, in der deine Spucke nicht am Boden bleibt, wo sie hingehört.“

London ist eine zerstörte, seelenlose Stadt, die nur noch in Trümmer geschlagen wird. Verheerend müssen die Quarkkriege gewesen sein und vor allem der Angriff der Biowaffen, der gnadenlos alles Lebendige tötete. Nun durchziehen die Stadtteile Kolonnen von Räumern, die im Auftrag des Neurussischen Imperiums nach einem wertvollen Artefakt suchen. Jedes noch so kleine Detail, sogar die Leichen werden gescannt, um das magische Teil aufzuspüren.

Cass Westerby, die 15-jährige Erzählerin mit dem flapsigen Ton, und ihre Vorfahren kennen nur eines, diesen öden Sucherjob. Sie wissen wie gefährlich ihre Herren und Meister, die Vlad, sind. Als Cass auf der Suche nach ihrem kleinen Bruder Wilbur, der die hirnverbrannte Idee hat, dass die Hinweise auf den Artefakt in einem 100 Jahre alten Comic über Captain Jameson zu finden sind, ist, stößt sie auf eine seltsame Person in einem Schlafanzug. Genau im Turm des Big Ben begegnen sich die beiden und retten den verunglückten Wilbur.

Peyto, der Schläfer, ist eine geheimnisvolle Person aus einer anderen Zeit. Er, aber das stellt sich erst nach und nach heraus, besitzt genauso wie Erin, die anfänglich für seine Schwester gehalten wird, diesen wertvollen Artefakt, von denen insgesamt 49 existieren. Das Mutterschiff Aeolus, eine organische Maschine auf Weltraumreise, befindet sich außerhalb der Erde. Als Pioniere sucht die Besatzung seit Jahrhunderten nach einem neuen Planeten. Die Artefakte oder Falter ermöglichen den Reisenden ein langes Leben, denn in ihren verbirgt sich das Geheimnis des ewigen Dasein. Vor über hundert oder noch mehr Jahren ist die Mutter von Peyto bereits auf die Erde gelangt und nun lassen die Vlad nach ihrem so magischen, wie rätselhaften Falter-Artefakt suchen.
Allerdings wird das Mutterschiff mitsamt der Erde untergehen, wenn die Schicksalsgemeinschaft um Cass und Peyto den Artefakt nicht in 6 Tagen findet.

Über Legendenbildungen, die ominösen Comics von Wilbur und die völlig verwirrte jahrelange Suche von Cass‘ Großvater, der sich allerdings nicht als kooperativ zeigt und Cass und die anderen geradezu reinlegt, gelangen die Außerirdischen und die Erdlinge in den Besitz des Artefakts.
Doch so einfach löst sich die Handlung nicht in Wohlgefallen auf, denn die Russen sind längst auf dem Laufenden und nehmen Cass und Wilbur in Gewahrsam.

Der britische Autor Philip Webb verpasst seiner Ich-Erzählerin Cass eine schnoddrige Sprache, trockenen Humor und einen eisernen Überlebenswillen, aber sie hat auch das Herz am richtigen Fleck. Mit Sinn für makabre Szenen, Anleihen bei George Lucas, William Gibson und James Cameron, entwirft der Autor eine dystopische Welt voller Gewalt, Geheimnisse und Rätsel. Seine lebendigen Figuren werden von einer existentiellen Lebenssituation zur nächsten gejagt und kombinieren die passenden Puzzleteile zu einem richtigen Bild wie immer in letzter Sekunde.

Unterhaltsam, spannend und vor allem kurzweilig, auch durch die lässige Erzählweise, liest sich dieser Jugendroman über eine moralisch zerstörte Welt und die unverhoffte Hilfe aus dem Universum.