Marcus Sauermann, Uwe Heidschötter ( Ill.): Der Kleine und das Biest, Klett Kinderbuch Verlag, Leipzig 2012, 32 Seiten, €13,90, 978-3-941411-49-4
„Manchmal ist es gar nicht so schlecht, ein Biest als Mutter zu haben. Biester verbieten einem nicht dauernd etwas.“
Wie ergeht es einem Kind, wenn die Mutter sich plötzlich in ein Biest, ein trauriges, missmutiges, gedankenverlorenes, hilfloses Monstrum verwandelt? Vor diesem Monster muss man keine Angst haben und doch ist es unheimlich, wenn die verwandelte Mutter plötzlich an der Hand geführt werden muss. Irgendetwas Gravierendes ist geschehen. Der Betrachter der Bilder ahnt am Beginn der Geschichte noch nicht, was eigentlich los ist. Er sieht nur, wie ein gehörntes Monster mit langen haarigen Armen, dicken Beinen, ekligen Zähnen und einer sorgfältig geformten Zopffrisur orientierungslos und als Trauerkloß durchs Leben stolpert. Prima ist, dass der Junge nun vieles im Supermarkt allein machen darf, z.B. ganz viele Schoko-Osterhasen aufs Laufband legen.
Witzig ist auch, wie er das Mama-Biest an seinen riesigen Klauen packt und durch die Gegend zieht. Biester können allerdings auch sehr peinlich sein. Schade, dass sich dann für den kleinen Jungen nicht die Erde auftut. Zu Hause schwelgt das Mama-Biest immer wieder in Erinnerungen und ab und zu muss es dann auch getröstet werden.
Und dann erscheint ein zweites Biest, ein Mann. Dabei haben sich diese erwachsenen Monster mal geliebt, doch davon wissen sie nichts mehr.
Wie ein allwissender Helfer führt der Junge das Mama-Biest aus ihrer tiefen Krise heraus. Sehr komisch sind viele Bilder, in denen der Junge ewig vor der Umkleidekabine wartet oder Mama beim Heulen im Kino zuschaut. Aber auch der Junge muss mit seinem Kummer fertig werden. Seine Körpersprache zeigt, auch er fühlt sich unwohl, z.B. im Auto vom Papa-Biest. Er leidet mit beiden mit.
Aber die Zeit heilt offensichtlich viele Wunden, auch die vom Mama-Biest. Papa-Biest benötigt noch etwas länger, aber auch dafür hat der Junge Verständnis.
Ein Kind um die fünf, sechs Jahre registriert sehr genau, was die depressiven Eltern fühlen, wie es um sie steht. Der Junge in diesem Bilderbuch, dessen Vorlage ursprünglich ein Film war, ist nicht das Scheidungskind, an dem alle herumzerren, er ist der Beobachter und Tröster. In dieser Geschichte wird ihm kein Theater vorgespielt, Mutter und Vater fühlen sich einfach miserabel und zeigen das auch. Witzig sind die Bildideen, in denen davon erzählt wird, welche Freiheiten der Junge sich nehmen kann, wenn die Mama ein „Biest“ ist und was passiert, wenn Mama im Supermarkt wieder die Alte ist und die Süßigkeiten nicht mehr unkontrolliert auf dem Laufband landen dürfen.
Mit viel Liebe zum Detail, in warmen Farben, mit Humor, Pragmatismus und doch Tiefgang erzählen Autor und Illustrator eine rundum gelungene Geschichte aus dem realen Leben, die viele Kinder und Eltern durchstehen müssen. Das Gute – nach der schweren Trennungszeit und dem Wandlungsprozess vom Biest zurück in die Mutter besteht wieder Hoffnung auf neue Beziehungen.
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