Peter Pohl: Meine Freundin Mia, Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer, Carl Hanser Verlag, München 2012, 140 Seiten, €12,90, 978-3-446-23791-9

„So manövriert sie sich durch die engen Gewässer der Erklärungen.“

Instinktiv weiß die 11-jährige Lena, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten muss, was sie preisgeben darf. So stellt sich das Mädchen schützend vor ihre kleine Familie, denn niemand soll wissen, dass die Mutter, eine der vielen Ausreden, nicht krank ist, sondern Alkoholikerin. Lena und ihr kleider Bruder Ola, der noch in den Kindergarten geht, können bereits ahnen, wie die Stimmungslage der labilen, oft aggressiven Mutter ist, wenn sie die Wohnung betreten. Die Kinder kennen keine liebevollen Umarmungen, Ola hat nicht mal ein Schmusetier. Immer gleitet der Ton der Mutter leicht ins Vulgäre. Lena spürt, sie muss für ihren Bruder da sein. Sie übernimmt die Erwachsenenrolle, die Verantwortung. Ihre beste Freundin lebt in einer Familie mit vielen, vielen Kindern und lustigen Eltern. Da Lena nie jemanden zu sich einladen kann, besucht sie auch nie ihre Freundin.

Die eigenständige Lena schlägt sich gut in der Schule, weiß aber, sie muss eine Ausrede dafür finden, warum sie nicht bei der Klassenfahrt dabei sein kann. Auch Mia hat ein Geheimnis, das ahnt der Leser schnell, denn auch sie will nicht mit den Mitschülern auf die Reise gehen. Als Ola bei seinem Freund Jocke schlafen will, befallen Lena Zweifel. Was ist, wenn er langsam mitbekommt, dass es in anderen Familien anders zugeht? Außerdem will die Erzieherin von Ola mit der Mutter sprechen. Aber diese weigert sich. Sie schließt sich in ihrer Wohnung ein und lässt niemanden hinein. Allerdings steht die Tür für Saufkumpane immer offen.

Als wiedermal ein trinkfreudiger Freund der Mutter die Wohnung belagert, kommt es beinahe zu einem bedrohlichen Übergriff auf Lena. Zum Glück kann sie in der winterlichen Nacht zu Mia fliehen. Hier erwartet sie keine große Familie, sondern die traurige Wahrheit.
Peter Pohl ist immer ganz nah an seinen literarischen Figuren und erzählt von einer starken Freundschaft und einem festen Halt, den Kinder von Alkoholikern benötigen. Bei aller Sehnsucht dieser Kinder nach einem normalen Leben ohne Lügen, spüren sie, wenn sie aus der Rolle fallen und nicht die Verantwortung für die Familie übernehmen, zerbricht diese.

In Jockes Mutter finden die beiden Mädchen eine Verbündete, die um ihren Kummer weiß. Ein versöhnliches Ende kann diese Geschichte nicht haben, aber dafür ein hoffnungsvolles.