Jennifer E. Smith: Die statistische Wahrscheinlichkeit von Liebe auf den ersten Blick, Aus dem Englischen von Ingo Herzke, Carlsen Verlag, Hamburg 2012, 222 Seiten, €16,90, 978-3-551-58273-7
„Ein unbekanntes elektrisches Kribbeln durchfährt sie in seiner Nähe, und sie fragt sich unwillkürlich, ob er es auch spürt.“
Was alles passieren kann, wenn man sein Flugzeug von New York nach London um vier Minuten verpasst, davon erzählt dieser kurzweilige wie unterhaltsame Roman. Die 17-jährige Hadley hat ihre Verspätung zwar nicht geplant, aber wirklich nach Europa reisen will sie gar nicht. Hätte ihre Mutter sie nicht so gedrängt, sie hätte gern auf diesen Flug verzichtet. Als Hadleys Vater nach Oxford zu seinem viermonatigen Traumjob aufbricht, ahnt niemand, dass er nicht mehr zurückkehren wird. Hadleys Eltern lassen sich scheiden und der Vater will nun wieder heiraten.
Hadley ist zutiefst von ihren Eltern enttäuscht. Die Mutter nimmt es stoisch und der Vater sucht verzweifelt den Kontakt zur verstockten Tochter.
Im Flughafen trifft Hadley den hochaufgeschossenen, hilfsbereiten Oliver. Er studiert in Yale und reist, welch ein Zufall, ebenfalls zu einer Hochzeit nach London. Beide Jugendliche sitzen, auch ein wunderbarer Zufall, im Flugzeug in der gleichen Reihe und dann auf dem siebenstündigen Flug nebeneinander. Sie reden über Charles Dickens, ihre Gefühle zu den Vätern, Gott und die Welt.
Oliver nimmt Hadley die Angst vor dem klaustrophobischen Gefühl in den engen Reihen des Flugzeuges und sie animiert ihn zu allen möglichen witzigen Bonmots über sein Studium.
Sie trennen sich auf dem Flughafen, zwar mit Kuss, aber ohne Telefonnummern oder Mailadressen auszutauschen. ( Seltsam, zumal jeder doch sein Handy aus der Tasche zerrt, in dem Moment, wo das Flugzeug landet.)
Hadley rast immer noch widerwillig zur Hochzeit und findet die neue Stiefmutter entgegen allen Vorstellungen gar nicht so übel. Per Zufall ahnt Hadley, wohin es Oliver wirklich verschlagen hat, nicht auf eine Hochzeit, sondern auf eine Beerdigung – die seines Vaters.
Im violetten Brautjungfernoutfit fährt Hadley nach Paddington, um Oliver zu sehen. Ein Fehler, eine gute Idee?
Leidlich konstruiert wirkt die romantische Geschichte von der Liebe auf den ersten Blick und die innere Auseinandersetzung mit den Vätern. Auch Oliver quält sich mit seinen Gefühlen für den scheinbar harten Vater, der seinen Affären hinterhergelaufen ist, über die nie jemand gesprochen hat. Wird Olivers innerer Konflikt nur angedeutet, so durchlebt Hadley alle widersprüchlichen Empfindungen, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Doch irgendwie überzeugt die Geschichte nicht wirklich. Mag dies an der teils kitschigen Sprache liegen, wenn es um Gefühle geht oder an der Erzählhandlung, die nicht berührt.
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