Nicolò Targhetta: Alles spricht, Aus dem Italienischen von Verena von Koskull, Verlag Antje Kunstmann, München 2022, 285 Seiten, €22,00, 978-3-95614-507-0
„’Sarkasmus ist ein Abwehrreflex.‘
‚Worin hast du noch gleich deinen Abschluss gemacht?‘
‚Ich bin eine Pflanze, ich habe weder ein Gehirn noch Reizempfindungen oder Denkvermögen. Ist doch klar, dass ich einen Abschluss in Psychologie habe.’“
Die namenlose, dreißigjährige Hauptfigur in Nicolò Targhettas Debütroman kann als Fluch oder Segen mit Dingen oder Erscheinungen reden. Ob Pflanze, Küche, altes Passwort, Sofa, Telefon, Leere oder Dunkelheit, jeder oder jede äußert in langen Monologen oder Dialogen seine oder ihre Meinung. Das ist äußerst anstrengend, zumal die Protagonistin von einer Katastrophe in die andere segelt.
Zuerst verlässt sie ihr Freund, mit dem sie eigentlich nicht mehr glücklich war. Sie entscheidet sich, die Wohnung zu verlassen. Allerdings hat sie keine neue Bleibe in Aussicht und so muss sie bei ihrer eigenwilligen wie alkoholfesten Freundin Silvia unterkommen. Die Rückkehr zu ihrer lieblosen Mutter ist nicht die Alternative. Und wer will schon mit dreißig Jahren wieder bei Mama wohnen?
Die Wohnungssuche entpuppt sich als aussichtsloses Unterfangen und dann kündigt ihr auch noch der Verlag, bei dem sie als Lektorin arbeitet die feste Stelle.
Nun sitzt die junge Frau auf ihrem verdreckten Sofa, denn Silvia lebt ein ungezügeltes wie lautes Sexleben in all ihren Räumen, und muss Bewerbungen schreiben und sich die Kommentare der leblosen Dinge anhören.
Mit Schulden, ohne Wohnung, ohne Freund verbringt die Hauptfigur nun ihre Zeit mit Tinder, eine Idee von Silvia, die sich als Schauspielerin versucht. Aber auch hier sind die glücklichen Momente eher rar. Tabletten helfen ein bisschen, aber auch nicht so richtig.
All dies liest sich, so glaubt man, absolut deprimierend, aber das Gegenteil ist der Fall. Der Sarkasmus, der sich durch die Beobachtungen der Dinge und deren Kommentare einschleicht, hebt alle Geschehnisse auf eine komische Ebene.
„’Er meinte gar nichts. Er ist ein Mann. Das sind schlecht rasierte Affen, sonst nichts.‘
„Du solltest ihm verzeihen‘, sagt der Brotkorb.
‚Genau‘, mischt sich der Lampenschirm ein, ‚zeig ihm, dass du drüberstehst.“
Und es kommt alles noch viel schlimmer, die Hauptfigur hat einen Job ergattert, bei dem sie schlechter als jede Praktikantin bezahlt wird, die Freundin Silvia hat ein Engagement, macht eine Party und unsere Hauptfigur benimmt sich daneben. Sie fliegt von der Couch und muss nun doch zu ihrer Mutter. Zu blöd, dass dann auch noch der Fernseher das Ende des Films verrät, den sich beide etwas niedergeschlagen ansehen.
Dann stirbt auch noch der Vater der Hauptfigur, den sie eigentlich nie richtig kennengelernt hat.
Für die Hauptfigur ein Grund mehr sich darüber Gedanken zu machen, was es eigentlich bedeutet, das Glück.
Die pausenlosen Dialoge voller Anspielungen und Meinungen können wirklich verwirren und wenn dann auch noch Gott zu Wort kommt, der gerade joggt, wird es noch konfuser.
Ein Buch, dass wie in „Alice im Wunderland“ die Dimensionen sprengt. Die Grundidee ist wirklich komisch und in ihren Details äußerst witzig, aber auch stellenweise sehr anstrengend zu lesen.