Ali Lewis: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein, Aus dem Englischen von Catrin Frischer, cbj, München 2011, 315 Seiten, €14,99, 978-3-570-15365-9

„Da, an meiner Seite, war Buzz, der so tat, als wäre alles ganz normal, ich schluckte also meine Aufregung runter und tat so, als wäre das ein Tag wie jeder andere.“

Daniel Dawson wohnt auf einer australischen Rinderfarm, mitten in der Wüste, im Outback, viele Stunden von Alice Springs entfernt. Noch werden er, seine kleine Schwester Emily und neuerdings auch die 14-jährige Sissy von einer Lehrerin unterrichtet, aber in einem Jahr geht er aufs Internat. Vor sechs Monaten ist sein älterer Bruder Johnny bei einem Unfall ums Leben gekommen. Ein Schmerz, den die wortkarge, hart arbeitende Familie, verdrängt. Seit diesem Tag spielt der Vater nicht mehr Klavier, sie schauen nicht mehr gemütlich zusammen fern und geredet wird auch nicht. Jeden Tag streicht Danny über Johnnys Foto oben auf dem Klavier, als würde ihm das Kraft geben. Als klar wird, dass sich Sissy keine Magenverstimmung eingefangen hat, sondern schwanger ist, wird die Familie vor eine weitere Probe gestellt.
Entbehrungsreich und einfach ist das Leben auf der Farm, Tiere sind kein Spielzeug und werden auch nur so lang gepäppelt bis klar ist, das sie überleben. Schnell greift Dannys Dad zum Gewehr, wenn ein Rind am Verenden ist. Als dann ein Anruf kommt und ein junges Kamel gefunden wurde, stimmt der Vater zu, dass Danny es in seine Obhut nehmen darf. Er nennt es Buzz und träumt davon, vielleicht auf ihm zu reiten. Aber junge Kamele sind stark und ziemlich eigenwillig. Aber Danny hat Ausdauer und Vertrauen zu seinem Kamel. Wenn er mit ihm in die Wüste hinausgeht, kehrt Buzz dicht an seiner Seite auch ohne Leine wieder in sein Gatter zurück.
Ein Hausmädchen muss eingestellt werden, denn Dannys Mutter arbeitet auf einer Gesundheitsstation in einem nahen kleinen Ort, Marlu Hill. Lizz‘ Baby wird genau in dem Monat kommen, in dem jede freie Hand benötigt wird, denn der jährliche Viehauftrieb ist das wichtigste Ereignis einer Rinderzuchtstation.

Gesucht wird nun eine Pommie, eine junge Engländerin, die anpacken kann und Arbeit sucht. Liz heißt die dünne, kleine Frau, die Daniel sofort als absolut untauglich für die Farmarbeit einschätzt. Und Liz versagt auch auf der ganzen Strecke. Wenn sie Frühstück machen soll, brennt die Küche, sie verfärbt die Wäsche und hält sich beim Anbraten des Specks die Nase zu, denn sie ist Vegetarierin. Mag ihr Akzent komisch sein, ihr Fahrstil wie der einer Anfängerin, so ist sie doch bei all ihrer Unbekümmertheit jemand der neugierig auf alles Unbekannte ist und zuhören kann.

Als Liz das Zimmer von Johnny, in dem alles so bleiben sollte, wie es war, aufräumt und auch noch seine Bettwäsche wäscht, rastet Danny aus. Wie kann es sein, dass weder seine Mutter, noch sein Vater ihr von Johnny erzählt haben? Über einen Menschen, der ihm so nah war, nicht reden zu können, ist für Danny die größte Strafe. Auch Sissy spricht nicht mehr, schon gar nicht darüber, wer der Vater ihres Kindes ist.
Nach und nach freunden Liz und Danny, die in ihren Lebenserfahrungen so unterschiedlich sind, an. Er erzählt ihr von der Distanz zwischen Weißen und den Blackfallas, die nicht mal ins Haus kommen, mit denen man arbeitet, aber ansonsten nicht verkehrt. Außerdem zeigt Danny Liz wie man Auto fährt und sie spricht ganz selbstverständlich mit ihm über den toten Bruder. Alles was Danny auf dem Herzen liegt, scheint Liz zu ahnen.
Der Tag des Viehtriebs rückt näher. Dann häufen sich die Konflikte und Danny macht, auch wenn Liz ihn zurückhalten will, einen Fehler nach dem anderen.

Aus Dannys Perspektive erfährt der Leser in Ali Lewis‘ Debütroman, wie es ist auf einer einsamen Rinderfarm zu leben. Doch nichts ist mehr so, wie der wilde Danny es gekannt hat. Der große Bruder ist fort, die große Schwester ist nur noch mit dem Baby gedanklich beschäftigt und zwischen seinen Eltern schwelt ein Konflikt, der mit Johnnys Tod zu tun hat. Tröstet Buzz den Jungen über seinen Kummer, so scheint die Pommie auf den ersten Blick eine Versagerin zu sein. Aber auch hier irrt der Junge.
Er erlebt, wie der Vater hilflos ist, als er erfährt, wer seine Tochter geschwängert hat, und auch hier müssen er und auch Danny umdenken.
Seine Wut nicht immer im Griff muss Danny viele Erfahrungen machen, die klar werden lassen, er ist kein Kind mehr. Er muss sich den Dingen stellen, auch wenn sie noch so schmerzhaft sind, denn „es wird schon nicht das Ende der Welt sein.“