Friedrich Christian Delius: Wenn die Chinesen Rügen kaufen, dann denkt an mich, Rowohlt – Berlin Verlag, Berlin 2019, 256 Seiten, €20,00, 9783737100762

„Dass die Chinesen ( früher oder später ) bis Rügen kommen werden, ist keine Strafe dafür, dass wir mit der verlogenen ‚Rettung‘ Griechenlands Europa geschwächt und zerstört haben, es ist nur die Folge.“

Die chinesische Dominanz ist dem zum Schweigen verurteilten Wirtschaftsjournalisten ein Dorn im Auge. Sie, die schon Weingüter in Bordeaux gekauft haben oder den Hafen von Piräus, werden sich, so „Kassandras“, der Spitzname des Journalisten bei seiner konservativen Zeitung, Warnung, bald Rügen erstehen.
Alles beginnt 2017 mit dem Schreiben des Verlags an den Journalisten. Er soll mit seinen 63 Jahren per Übergangsregelung den Arbeitsmarkt verlassen. Jeder weiß um die Krise der Printmedien und die sinkenden Auflagen. Niemand wird verschont und bloggen kann ja jeder, auch ein teilweise bezahlter Ruheständler. Aber darum geht es dem Journalisten gar nicht. Er ist in seiner Schreiber-Ehre gekränkt. Wie oft wurden seine Analysen nicht gedruckt, weil sie einfach nicht gewollt waren.
Nun, ohne Zensoren und Scheuklappen, kann der Ruheständler Tagebuch führen und seine zeitkritischen Gedanken über die Griechenlandkrise, die handlungsunfähige Kanzlerin oder die Hysterie in der Medienlandschaft in den Laptop hämmern. Adressatin all dieser Aufzeichnungen ist seine Nichte Lena, die gerade ihr Abitur ablegt.

Scharfsinnig umkreist der unfreiwillige Ruheständler nun die rechtsradikalen Ansichten in der AfD und deren Widersprüche, beginnend bereits bei der Bezeichnung der Partei, er nimmt sich die CSU und ihre Liebe zum ungarischen Staatsoberhaupt Orbán vor, der keinem Flüchtenden, aber China Tür und Tor öffnet.
Immerhin hat er genehmigt, dass inzwischen 10000 Chinesen Aufenthaltsgenehmigen verkauft wurden. Welche Rolle spielt China in den USA, wie weit ist die Totalüberwachung durch den chinesischen Staat schon fortgeschritten und wie werden die Menschen durch ihr Wohlverhalten in China belohnt? Seidenstraßen ziehen sich über den Kontinent und alle schauen zu.
Immer wieder kehrt der Ich-Erzähler in seiner sachlichen und ironisch eingefärbten Sprache zu seinen Lieblingsfeinden zurück: M. („…  ohne Linie, ohne Energie, ohne Inhalt, nur bröselnde Macht.“) und China.

„Bis 2025 will das Land in allen wichtigen Branchen führend sein, in allen.“

Mal schweift er ins Private zu Besuchen aus den USA ab, mal erzählt er vom leidigen Arbeitsleben seiner Gefährtin Susanne, die sich mit Schulproblemen herumschlagen muss.
Auch die sozialen Medien bekommen ihr Fett weg.

„Wer differenziert, ist sowieso ein Langweiler.“

Doch ein gutes Ende naht und der Tagebuchschreiber kann wieder professionell arbeiten. Seine Aufzeichnungen enden selbstironisch und selbstkritisch:

„Tagebuchschreiber werden mit der Zeit zu Narzissten und/oder Weltverächtern und/oder Misanthropen. Noch ein Grund, so langsam mit diesen Notizen aufzuhören.“