Joyce Carol Oates: Pik-Bube, Aus dem Amerikanischen von Frauke Cwikla, Verlagsgruppe Droemer Knaur, München 2018, 207 Seiten, €19,99, 978-3-426-28187-1
„Ein Feind in meinem friedlichen Leben. Von dem ich keine Ahnung hatte.“
In das Haus des erfolgreichen wie wohlhabenden Autors Andrew J. Rush aus Harbourton, der sogar mit Stephen King verglichen wird, flattert eine Klageschrift. Eine alte Frau namens C.W. Haider beschuldigt ihn des geistigen Diebstahls, des Plagiats. Er soll angeblich in ihr Haus eingedrungen sein, um ihre Manuskripte zu lesen und zu kopieren. Doch Andrew J. Rush ist sich keiner Schuld bewusst. All seine erfolgreichen Krimis, die sogar in mehrere Sprachen übersetzt und verfilmt wurden, entsprangen seiner eigenen Fantasie. Akribisch genau erarbeitet der Autor ein Konzept, wenn er einen neuen Roman beginnt. Wenn er jedoch unter seinem Pseudonym „Pik-Bube“ des Nachts schreibt, dann hetzt er nur so durch die Handlung, trinkt dabei und erlaubt sich gewalttätige, vulgäre, ja obszöne Exzesse. Niemand ahnt etwas von seiner Doppelexistenz, nicht mal seine Familie. Wie eine fremde Person verfolgt den Autor neuerdings sein zweite Schreibexistenz.
„Du bist jetzt in Sicherheit. Niemand wird der Hexe glauben, falls sie dich beschuldigt.“
Diese innere Stimme stachelt den Autor zu seltsamen Aktionen an. Nach und nach verliert er seine Bodenhaftung. Doch warum, so fragt sich der Leser, spürt der Autor diese Angst vor dieser offensichtlich völlig verwirrten Frau, die schon mehrmals Autoren verklagt hat. Sie behauptet auch, dass Stephen King oder John Updike sie bestohlen hätten.
Die Panik vor der schlechten Presse scheint Rush anzutreiben, aber auch ein schlechtes Gewissen.
Mit dem Reichtum wurde es einsam um Rush, der sich nicht wie seine Frau, mit Kollegen und Freunden zum Essen trifft. Völlig irrational begibt sich Rush zum Haus der verrückten Frau, er weiß sie ist nach der Anhörung, in der die Klage vom Richter abgewiesen wurde, zusammengebrochen.
Vom Hausmeister lässt sich Rush unter fadenscheinigen Vorwänden die Tür öffnen. Rush betritt nun ebenfalls das Haus einer einsamen, allerdings verarmten schreibenden Person. Nach der Durchsicht ihrer Manuskripte entdeckt Rush, dass sie wirklich bedeutend früher als die berühmten Autoren, deren Romanhandlungen entworfen hatte. Nur sind weder King, noch Updike noch er vorher je bei ihr eingestiegen. Bedeutend sind auch ihre Erstausgaben von bekannten Schriftstellern, die Rush auf Befehl seiner inneren Stimme einfach mitnimmt.
Rush entdeckt auch das Manuskript, das dem seines ziemlich gut verkauften Krimis gleicht.
Spielt sich all dies nun in der Fantasie des Autors ab, ist es ein Alkoholrausch, in den Rush verfällt oder ist es eine reale Geschichte? Oder sind dies auch die Albträume eines Autors, der, wenn er an einer Geschichte schreibt, immer in der Angst lebt, dass ein anderer diese bereits ausgedacht und zu Papier gebracht haben könnte?
Schuldig sein, dieses Motiv entwirrt sich erst am Ende der Geschichte, denn Rush ist einst schuldig geworden, doch niemand konnte es ihm beweisen. Nur er selbst kennt die Wahrheit.
Die bekannte amerikanische und sehr vielseitige Joyce Carol Oates hat mit ihren nun 80 Jahren einen doppeldeutigen, wie extrem spannenden Roman geschrieben, der unterschwellig die Empfindungen eines sensiblen Autors beleuchtet und diesen in die Katastrophe führt.
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