Domenico Starnone: Auf immer verbunden, Aus dem Italienischen von Christiane Burkhardt, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2018, 171 Seiten, €18,00, 978-3-421-04807-3
„Da überkam mich die Angst, sie könnte jetzt, wo nichts mehr an Ort und Stelle war, in dem Chaos auf etwas von mir stoßen, das sie betrüben und verletzen würde.“
Erzählt wird die Geschichte einer zerbrochenen Ehe aus drei Perspektiven, zum einen schreibt die Ehefrau, Vanda, Briefe an ihren untreuen Mann Aldo, der sie nach zwölf gemeinsamen Jahren für eine jüngere, schönere und lebensfrohere Frau verlassen hat. Lidia ist beneidenswerte neunzehn Jahre alt, als Aldo ihr an der Universität begegnet. Vier Jahre werden die beiden in Rom leben. Zum anderen kommt Aldo zu Wort, nachdem er wieder nach Neapel zurückgekehrt und bei Vanda und den Kindern eingezogen ist.
Nach einem längeren Urlaub, Vanda und Aldo sind nun im Rentenalter, kehren sie in eine völlig zerwühlte Wohnung zurück. Im dritten Teil erinnert sich Tochter Anna an die Zeit als der Vater die Familie verlassen hat und sie trifft sich mit Sandro, ihrem fünf Jahre älteren Bruder in der Wohnung der Eltern.
Die Einbrecher haben alles wahllos aus den Schränken gerissen und so stößt Aldo auf die Briefe, die Vanda ihm geschrieben hat. Sie war damals extrem verzweifelt, denn sie konnte nicht verstehen, warum ihr Mann ihr den Rücken gekehrt hat. Sie schiebt die Kinder vor, sie hofft und sie leidet und sie beginnt sich zu verändern. Aus der Hausfrau, die das Geld zusammenhält, wird eine missgelaunte Frau, die ihre eigenen beruflichen Wege geht. Nachdem Aldo wieder in der Familie lebt, Lidia hat ihm klar gemacht, dass sie ihn nie so braucht wie er sie, hat er Angst vor Vandas Stimmungsschwankungen, ihrem Befehlston, ihren sarkastischen Bemerkungen, ihrer Lieblosigkeit. Um sich an seine wundervolle Zeit mit Lidia zu erinnern, hat er die Polariods, auf denen sie zu sehen ist, aufgehoben. Nur diese Erinnerungen spenden ihm Lebensfreude und innere Wärme. Beim Aufräumen der Wohnung stellt sich heraus, dass der Einbrecher genau diese Fotos mitgenommen hat, die Perlenkette seiner Frau jedoch nicht.
Diese Familie ist innerlich völlig zerstört und zerrissen, eine emotionale Bindung zwischen Vanda und Aldo existierte vielleicht in den Anfangszeiten. Als Vanda einen Selbstmordversuch unternimmt, schaltet Aldo auf Desinteresse und gibt ihr kein Zeichen.
Zurückgekehrt ist er dann 1978 angeblich der Kinder wegen, aber diese spüren als Erwachsene zu ihren Eltern nicht die geringste Zuneigung. Ganz im Gegenteil, wenn man Anna zuhört, läuft es einem kalt den Rücken herunter. Sie ist der Meinung, die Eltern schulden den Kindern höchstens eine finanzielle Zuwendung. Sie hasst Kinder und Sandros Beziehungen scheinen auch nicht von Dauer zu sein, obwohl er vier Kinder in die Welt gesetzt hat.
Domenico Starnone erzählt eine bittere Geschichte, die durch die fantastische Komposition einen tiefen Blick in die Gedankenwelt der Familienmitglieder gewährt und den Leser sofort in diese völlig kaputten Beziehungskonstellationen hineinzieht. Als sich Aldo 1974 mit seinen vierunddreißig Jahren aus dem Staub macht, seiner Rolle als Ehemann und Ernährer entflieht, sich sozusagen aus den Zwängen der Ehe als Institution befreit, bleibt trotz neuer Ideen der 68er Bewegung die Frau mit den Kindern zurück. Mag die bezaubernde Lidia zuerst ein Abenteuer gewesen sein, so gehen Aldos Gefühle doch tiefer. Er vergisst alles, seine angetraute Frau und seine Kinder. Wenn der Leser Vandas Briefe liest, Aldos Gedanken vernimmt als er die Wohnung aufräumt und dann noch die raffgierigen Kinder hört, dann schwinden die Sympathien des Lesers für alle vier.
Mögen alle auf immer verbunden sein, doch um welchen Preis verdeutlichen die Selbstzeugnisse der drei Erzähler.
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