Helen Garner: Drei Söhne – Ein Mordprozess und seine Geschichte, Aus dem Englischen von Lina Falkner, Berlin Verlag in der Piper GmbH, 352 Seiten, €20,00, 978-3-8270-1269-2

„ Der zentrale Punkt der ganzen Sache ließ uns nicht zur Ruhe kommen. Es zerriss uns das Herz, dass drei kleine Jungen, angeschnallt in dem untergetauchten Auto, mit ihren Gurten kämpften, das schmuddelige Wasser eingeatmet, gewürgt und gezappelt hatten und schließlich gestorben waren – während ihr Vater floh.“

Drei unschuldige Jungen, Jay, Tyler und Bailey, sind gestorben. Sie saßen am Vatertag im Auto von Robert Farquharson und befanden sich auf dem Weg nach Hause zu ihrer Mutter. Ein schwerer Hustenanfall nach einer schweren Erkrankung habe beim Vater, der auch an Depressionen litt, zu einer Ohnmacht geführt und somit ist das Auto quer über die Fahrbahn mitten in einen Baggersee gerast. Robert Farquharson ist zu sich gekommen und hat sich befreit. Ab hier wird die Geschichte jedoch undurchsichtig, denn der Vater hat einen Blackout. Als Robert Farquharson wegen Mordes an seinen Kindern vor Gericht steht, geht es um die Frage, war es wirklich ein tragischer Unfall oder hat der Vater seine Kinder aus Hass auf seine Frau, Cindy Gambino, getötet. Cindy Gambino hatte in der Ehe die Hosen an, sie hat bestimmt, was geschieht und sie hat nach vielen Schwierigkeiten, vor allem finanzieller Art, Robert Farquharson arbeitet als Reinigungskraft, die Ehe beendet.

Kaum hatte der Ehemann das Haus verlassen, zieht ein neuer Mann ein und bringt auch noch Kinder in die Beziehung. Robert Farquharson fühlte sich wie abgeschoben, extrem gedemütigt und vor allem wieder in der Position des Kindes, denn er musste bei seinem Vater einziehen. Am Schlimmsten erschien ihm nach der Trennung die Tatsache, dass er das uralte Auto behalten sollte und seine Frau das neue, für dass er hart geschuftet hatte, fahren will. Viele Äußerungen, Verhaltensweisen wirken so seltsam, dass man an der Unschuld des „armen Kerls“, der allzu oft immer nur von sich selbst redet und in Widersprüche verwickelt, zweifelt. Als Robert Farquharson nach den Geschehnissen realisierte, was mit den Kindern geschehen war, wollte er nur noch zu seiner Ex-Frau. Sie und ihre Familie hat ihm nie Vorwürfe gemacht, nie wurde behauptet, dass er die Schuld trage. Doch das sollte sich ändern.

Fast wie ein Märchen beginnen die Aufzeichnungen der Journalistin Helen Garner, die aus ihrer Sicht seriös und detailgetreu die Beweisaufnahme vor dem obersten australischen Gerichtshof schildert. Allerdings ist dieser Prozess nicht ausgedacht oder ein surrealer Alptraum, er beruht auf Tatsachen. Immer näher kommen sich bei den Verhandlungstagen die Journalisten, die den Prozess beobachten. Sie tauschen Gedanken, Vermutungen, Schuldzuweisungen aus. Helen Garner redet mit befreundeten Anwälten, fühlt sich durch die Fakten, Aussagen und Mutmaßungen völlig aus ihrem Alltag geworfen, leidet mit allen Angehörigen, den zwölf Geschworenen und dem Angeklagten selbst.

Ist der Mann „mit dem gekrümmten Rückgrat und den Männerbrüsten“ und „dem großen, sauberen, gebügelten Taschentuch“ ein kaltblütiger Mörder? Die Geschworenen sind der Meinung, dass er seine drei Kinder wissentlich ermordet hat. Schlampereien bei der Polizeiarbeit führen dann allerdings zur Wiederaufnahme des Verfahrens und wieder werden alle quälenden Details in voller Länge vor allen ausgebreitet. Nun ist Robert Farquharsons herrische Ex-Frau, die inzwischen zwei Kinder von ihrem Freund hat, nicht mehr der Meinung, dass ihr Mann unschuldig sei. Auch die Gerichte werden dieser Ansicht folgen und am Ende bleibt die Ungewissheit.

nHelen Garner beobachtet packend lakonisch diesen Mordprozess, ohne die dramatische Handlung noch zu erhöhen oder den Leser, der vieles erdulden muss, in unnötige Spannung zu versetzen. Sie berührt mit ihrer Art der Darstellung, denn sie zeigt, wie nah einem Menschen doch ein fremdes Schicksal kommen kann.