Friedrich Ani: Der einsame Engel – Ein Tabor Süden Roman, Droemer Verlag, München 2016, 208 Seiten, €18,00, 978-3-426-28147-5
„Im Gegensatz zu solch nachvollziehbaren und gelegentlich angemessenen Verhaltensweisen – bei starkem seelischem Stress und ungeklärten Beziehungen in der jeweiligen Familie – sah ich meine Aufgabe im Niederreißen der üblichen, von Angehörigen akribisch errichteten Lügenkulissen ebenso wie in der Darstellung der unvermeidlichen Wahrheit.“
Tabor Süden, Melancholiker und Gewohnheitstrinker, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er mit Klienten, die jemanden vermissen, spricht. Oftmals jedoch versteht er es, gerade durch das eigene Schweigen, Menschen, die verunsichert werden, in die Seele zu sehen und zum Reden zu bringen. Reaktionen löst Süden mit seinem Verhalten immer aus, denn er macht sich mit seinen 55 Jahren keine Illusionen mehr über die Menschheit. Gerade wurde die Detektei, für die er gearbeitet hat, von Neonazis, was die ermittelnden Behörden nie zugeben würden, abgebrannt und ein Kollege von ihm ist zu Tode gekommen. Edith Liebergesell, die Inhaberin, wartet nun auf die Versicherungsentscheidung und das, ob am Tag oder am Abend, feucht fröhlich. Süden kann gut mithalten und seine „Katerschmiede“ bei einem neuen Fall dezent wegdrücken.
Emma Fink, eine Frau um die 40, vermisst ihren Chef, Justus Greve. Nach und nach entdeckt Süden, dass alles was über Greve erzählt wird, auf irgendeine Weise nicht stimmt. Er ist zwar der Inhaber eines Obst- und Gemüsehandels, aber hat diesen bereits Emma Fink, mit der er eine Zeit zusammen war, überschrieben. Auch die neue Lebenspartnerin, Anita Kurth, kann nicht viel über das Wegbleiben Greves berichten. Klar ist, Greve ist ein schwerreicher Mann, denn seine geschiedenen Eltern, mit denen er nicht mehr spricht, sind wohlhabende Leute aus Hamburg, die aus bestimmten Gründen nach München ziehen mussten. Süden findet auch heraus, dass Greve nicht das Leben führt, dass ihm vorschwebte. Heimlich hatte er einen Probenraum gemietet, um Klavier zu spielen, eine Fähigkeit, die Greve immer geleugnet hatte. Und darum geht es Süden, hinter die Fassaden der Vermissten zu schauen. Doch wo ist Greve und wenn er ermordet wurde, welches Motiv sollte hinter einer Tötungstat stecken?
Wie immer gemächlich und in Südens Tempo entwickelt sich die Handlung, die von Seite zu Seite undurchsichtiger wird, zumal sich Greve plötzlich per SMS meldet.
Zu diesem Zeitpunkt ist Süden schon sehr skeptisch, um glauben zu können, was man ihm da vor die Nase setzt.
„Der einsame Engel“ ist Südens 20. Fall und er ist erneut spannend und abgründig. Wenn man als Leser einen Süden-Roman beginnt, dann liest man diesen, auch dank der im Schnitt 200 Seiten, ohne Pause durch. Ein großes Lesevergnügen!
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