Camille de Peretti: Die kleinen Arrangements unserer Herzen, Aus dem Französischen Hinrich Schmidt-Henkel, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2015, 208 Seiten, €19,95, 978-3-498-05316-1
„Ich bin eine Manipulatorin und berechnend, und das bereitet mir nicht die geringsten Gewissensbisse. Ich nutze mein Leben um Romane zu schreiben, das hat Stanislas immer gewusst. An diesem Nachmittag aber widere ich mich selbst an.“
Die 1980 in Paris geborene Camille de Peretti war einige Jahre in Amerika als Finanzberaterin sowie in Japan als Fernsehköchin tätig und wurde vor fünf Jahren mit „Thornythorinx“ bekannt, einem Roman über die Magersucht. „Wir werden zusammen alt“ war 2008 ihr dritter in Frankreich erschienener Roman.
Danach folgte der wunderbare Roman „Der Zauber der Casati“ und nun der schmale autobiographische Roman „Die kleinen Arrangements unserer Herzen“, dessen Titel nach banalem Poesiealbum-Schwulst klingt.
Im Zentrum stehen die Ich-Erzählerin Camille und Stanislas. Beide lernen sich als Schüler kennen und sind auch kurzzeitig ein Paar. Aber Camille, die 16-Jährige ohne richtigen Busen, liebt eigentlich einen anderen und da ihre Freundinnen Stanislas nicht für voll nehmen und ihn mit seiner Haartolle nur lächerlich finden, wendet sich Camille, nachdem sie ein grausames Spiel mit ihm gespielt hat, gleichgültig von Stanislas ab. Er, der sie wirklich liebt, erträgt ihre Allmachtsempfindungen ihm gegenüber und kann die Trennung nur schwer verkraften.
Jahre später nimmt Camille wieder Kontakt zu Stanislas auf, der mittlerweile erfolgreicher Trader in London ist. Zeigt er ihr zu Beginn nur die kalte Schulter, um so sehnlicher wird ihr Wunsch, ihn wieder an sich zu ziehen. Die Erzählerin ist mit einem erfolglosen Künstler aus reichem Haus verheiratet, dessen Familie allerdings nicht für seinen Lebensunterhalt aufkommt. Camille hat Anfang zwanzig ihren ersten Roman geschrieben und veröffentlicht und sie hat eine kleine Firma aufgebaut. Die junge Frau ist nicht bereit, ihren Mann zu ernähren und wendet sich Stanislas zu.
Ziemlich gnadenlos beschreibt sie ihren eigenen Charakter. Sie akzeptiert nur einen Mann mit Geld, der ihr Sicherheit gibt und sie kann sich erst trennen, wenn sie jemand anderen gefunden hat, den sie wirklich „am Haken“ hat. Das klingt nicht nach eigenständigem wie selbstbestimmtem Leben von Frauen im 21. Jahrhundert. Nicht gerade sympathisch ist die Hauptheldin in Camille de Perettis Langerzählung, auch nicht wenn sie zugibt:
„Ich habe mich noch nie den Dingen stellen können, sondern immer Umwege und Auswege gefunden.“
Da Stanislas in London arbeitet, zieht Camille kurzerhand zu ihm. Erfolgreich und zugeschüttet mit Arbeit überlässt Stanislas Camille die Organisation der Wohnung, die Einrichtung. Nichts ist für die junge Frau zu teuer, Geld spielt keine Rolle im überteuerten London und lange Reisen bringen die beiden immer wieder zueinander, denn Camille beginnt sich bei langen Spaziergängen und Museumsbesuchen zu langweilen. Sie schläft bis Mittag, sucht nach Themen für einen neuen Roman und nutzt jede Gelegenheit, um wieder in Paris zu sein.
Nebenher wird die Bankerszene geschildert, die sich nach harter Arbeit amüsiert, um sich dann wieder zu bereichern. Die Spannungen in der Beziehung der beiden Hauptfiguren nehmen nach drei Jahren gemeinsamen Lebens zu, Camille hat ihre Finger längst nach einem anderen Mann ausgestreckt und die letzte große, auch ziemlich Alkohol getränkte Reise quer durch die USA rettet die angeblich einst so große Liebe nicht.
Akribisch sammelt Camille die Korrespondenz und die kleinen Devotionalien, die sie an Liebhaber erinnern. Auch Stanislas wird so ein Karton gewidmet, späterer dankbarer Stoff für Romane.
Im Nachhinein jedoch fragt man sich als Leser, warum fesselt diese Geschichte nicht, plätschert einfach nur so dem Ende entgegen? Wie sinnentleert leben Menschen, die alles haben? Drehen sich die oberflächlichen Gedanken dieser Generation wirklich nur um persönliches Glück, möglichst viel Arbeit und Geld, auch wenn dieses sich 2008 plötzlich in Luft auflöst? Schreibt die Autorin vehement gegen die Langeweile an, die ihre extrovertierten Figuren zu schnell verspüren, ob in New York oder mit eigenem Flugzeug? Was fangen wir mit einer Heldin an, die nur im nächsten Mann den Lebenssinn finden kann, um dann erneut einen Erinnerungskarton zu packen und vielleicht einen neuen Roman zu schreiben?
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