Veronika Peters: Aller Anfang fällt vom Himmel, Goldmann Verlag, München 2015, 288 Seiten, €19,99, 978-3-442-31321-1

„ Er verfluchte sich für die unbedachten Wohltätigkeiten vor dem Supermarkt und an seiner Haustür, noch mehr für den unüberlegten Anruf bei Emilia, der ihm das alles eingebrockt hatte.“

Korbinian Gerhard hat vor einigen Jahren seine Frau Marie, die erst Mitte 40 war, von einem Tag auf den anderen verloren. Nun sitzt er in seiner riesigen Dachterrassenwohnung in guter Hauptstadtlage und übt sich in Einsamkeit. Er will, obwohl er als Grundschullehrer pausenlos mit Leuten Kontakt hat, niemanden sehen oder gar sprechen, wenn es sich verhindern lässt. Seine Kunstbücher und Biografien füllen seine langen Stunden aus. Ordnung und Alleinsein halten den noch gar nicht so alten Mann auf den Beinen.
Aber dann begeht er einen entscheidenden Fehler. Er kauft einer obdachlosen jungen Frau ein paar Lebensmittel und sie heftet sich an seine Fersen. Im Hausflur kann die übermüdete und offensichtlich auch kranke Frau schlafen, aber richtig wohl ist Korbinian bei diesem Gedanken nicht. Er bringt ihr eine Decke, wagt aber nicht mehr. Aus Unsicherheit ruft er intuitiv seine jüngere Schwester Emilia an, zu der er eigentlich auch keinen Kontakt möchte. Die energische Emilia nimmt die Sache in die Hand und verfrachtet das fiebernde, stark riechende Mädchen Billa in Korbinians Wohnung auf die Couch.
Korbinians Ordnung gerät aus dem Gleichgewicht und seine Stimmungen schwanken zwischen Mitleid und Ärger.
Wenn einer nie mit ihm geredet hat, dann war das der Wirt aus dem Ochsenglück. Hierhin muss Korbinian fliehen, aber nun beginnt und das ist wirklich rührend zu lesen, eine Freundschaft zwischen dem glatzköpfigen Wirt, genannt Schiller, und dem leicht verzweifelten Korbinian.

Emilia zieht kurzerhand zu Korbinian, denn auch sie ist mit ihrem Blumenladen und Mietschulden in eine schiefe Lage geraten. Billa jedenfalls wird versorgt und beginnt langsam, mit deftiger Berliner Schnauze zu reden. Ihr Vater hat sie immer wieder geschlagen, besonders dann wenn er getrunken hatte. Die noch minderjährige Billa ist zu ihrem um Jahre älteren Freund Manni gezogen, der offensichtlich in Drogengeschäfte verwickelt ist. Jedenfalls musste er die Wohnung verlassen und auch Billa stand plötzlich allein auf der Straße.
Korbinian sieht sich schon von der Drogenmafia verfolgt, ausgeraubt und mit der Polizei konfrontiert, obwohl er diese auf Billas Bitten hin nie informiert hat.
Aber dann steht der Freund von Manni vor der Tür und Korbinian ist sauer. Immer wieder erwischt Korbinian Billa dabei, dass sie nur die halbe Wahrheit erzählt, aus Angst, dass er sie doch vor die Tür setzt.

Langsam, sehr langsam entsteht ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Billa, das allerdings immer wieder auf die Probe gestellt wird.
Auch Manni taucht auf und sorgt nur für Probleme, denen Korbinian einfach nicht gewachsen ist.
Ein Gutes jedoch hat die ganze Geschichte, Korbinian bewegt sich aus seinem Schneckenhaus heraus. Er verlässt die Wohnung, redet mit Leuten und lässt sich auf andere ein. Seinen Traum, auf einer Insel weit im Meer zu wohnen, wird nicht wahr, aber der Kontakt zu Billa, Emilia und Manni verändert sein Leben grundlegend.

Wunderbare Geschichte über die Emanzipation eines Mannes, der im Leben noch viel zu erwarten hat.