Annette Hohberg: Alles, was bleibt, Knaus Verlag, München 2011, 352 Seiten, €14,99, 978-3-426-65227-5

„ Manchmal beschleicht Gesine das Gefühl, sie täten nur verliebt. Als hätte ihnen Andalusien eine große Bühne zur Verfügung gestellt, auf der sie jetzt das Stück aufführen, das sie fast im Schlaf rezitieren können, weil es bereits seit 15 Jahren auf ihrem Spielplan steht.“

Es ist der Klassiker, Leo Burg, Anfang 50 verlässt von einem Tag zum anderen Gesine, um sich einer neuen, 20 Jahre jüngeren Frau zuzuwenden. Nach 17 Jahren vorgeblich harmonischer Ehe beendet ein kurzes, ziemlich zahmes Gespräch alles Gemeinsame. Gesine bleibt allein und erstmal sprachlos zurück. Von ihrem so wundervoll inszenierten Leben mit einem welterfahrenen, leicht arroganten Gastrokritiker bleibt ein Scherbenhaufen zurück. Als Psychologin, die anderen Menschen in ihrer Privatpraxis Ratschläge erteilt, wie man leben soll, kann sie sich selbst am wenigsten helfen.
Gesine gönnt sich eine Auszeit in ihrem prachtvollen Sommerhaus in der Normandie, um auf Selbstsuche zu gehen. Hier leben auch noch treue Freunde, die sie zeitweilig auffangen. Gesine lässt vor ihrem inneren Auge mit Hilfe von 17 Fotos die Zeit mit Leo vorbeiziehen und sie kocht für sich die Gerichte, die die Erinnerungen an ihn wieder aufleben lassen. Was haben sie gemeinsam an bestimmten Orten gegessen, welche Kleidung trug sie und worüber haben sie auch mal gestritten? Wo sind die Ursachen für Leos Sinneswandel zu finden? War sie zu kontrolliert, zu ängstlich in allem, was sie getan hat? War sein Liebesgesäusel nur ein Freibrief für Affären? Warum hat sie dem Menschen, der ihr angeblich am nächsten stand, nicht ihr Kindheitstrauma erzählt. Ihre Mutter hatte sie, nachdem der Vater der Familie den Rücken zugekehrt hatte, mit sechs Jahren einfach allein gelassen. Fragen über Fragen, jedoch keine Antworten.
In diesem Roman vor der Kulisse von München, Paris, Barcelona und einem Küstenstreifen in der Normandie stimmt gar nichts, weder die einzelnen Figuren, noch die Dialoge, noch die Sprache. Aus Gesines Sicht erzählt Annette Hohberg das auf Äußerlichkeiten fixierte Geschehen und reiht munter ein hohles Klischee ans andere, ob es nun um menschliche Schwächen, Zufälle oder Schicksale geht. Es ist als würde man in einem Gourmet – Hochglanzmagazin blättern und wissen, alles was zu sehen ist, scheint kunstvoll angerichtet, exquisit und vollkommen, hat aber mit real Existierendem nichts zu tun. Leos Ausbruch aus der offenbar unglücklichen Ehe ist nicht nachvollziehbar. Gesines Hadern mit ihrer Vergangenheit bleibt an der Oberfläche und wagt nicht in einer Szene mal den Schritt in die Tiefe. Keine Brüche, keine psychologisch spannenden Figurenkonstellationen oder eventuell Selbstironie erwarten den Leser, sondern bitter ernstes Leid in schönem Ambiente. Alles ist unbefleckt, nie bleibt ein Abwasch liegen und zum Kochen trägt Gesine natürlich keine gewöhnliche Schürze, sondern ein Kochkleid. Nicht mal den geplanten Doppelmord kann Gesine durchziehen. Wozu auch, könnte ja Schmutz machen. Vielleicht sind die Rezepte am Ende des Buches tröstlich, die Lektüre allerdings Zeitverschwendung.