Gabrielle Zevin: Die Widerspenstigkeit des Glücks, Aus dem amerikanischen Englisch von Renate Orth-Guttmann, Diana Verlag, München 2015, 288 Seiten, €12,99, 978-3-453-35862-1
„Als Büchermensch glaubt er an Strukturen. Wenn im ersten Akt ein Revolver auftaucht, hat dieser Revolver bis zum dritten Akt gefälligst loszugehen. Mit anderen Worten: A. J. glaubt an Erzählmuster.“
A. J. Fikry ist ein eigenwilliger Buchhändler, der genaue Vorstellungen davon hat, welche Bücher in seinen Regalen auf Alice Island stehen dürfen und welche nicht.
Er mag keinen Postmodernismus, keinen magischen Realismus, keine Jugendbücher, keine literarischen Fantasyromane oder gar Literarisches über den Holocaust. Kinderbücher kann er nicht ausstehen, nichts von Ghostwritern, die für Prominente schreiben, will er kaufen und schon gar keine Erstlingswerke oder gar Frauenliteratur. A. J.’s Geschmack ist wirklich speziell und sein Umsatz rückläufig, denn immerhin sind bestellte Online-Bücher billiger. Seine bei einem Unfall kürzlich verstorbene Frau war da nicht so wählerisch, denn sie hatte ein Gespür dafür, was die Leute lesen wollen und Events zu bestimmten Buchthemen zu organisieren, lag ihr besonders. Durch eine Erbschaft landeten A.J. und seine Frau auf der abgelegenen Insel, die nur durch eine Fähre zu erreichen ist, kauften die Buchhandlung, bezogen die Wohnung darüber und waren glücklich.
Als die Verlagsvertreterin von Knightley Press, Amelia Loman, ihr erstes Verkaufsgespräch mit A.J. hinter sich hat und wenigstens ein Leseexemplar von einem Debütroman zurücklassen kann, freut sie sich auf die Rückreise. Keine Frage, dass diese beiden Menschen im Laufe der Geschichte sich näher kommen werden und das sogar über diesen Debütroman „Späte Blüte“, ist zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar.
A.J. verbringt nun seine Tage mit seinen ebenfalls schrulligen Kunden, die sich sogar bei ihm über den Inhalt der Bücher beschweren. Doch dann eines Tages sitzt ein zweijähriges, aufgewecktes Kind in der Buchhandlung. A.J. findet einen Brief der Mutter von Maya, die hofft, dass der Buchhändler, er ist Ende dreißig, dem Kind ein guter Vater ist. A.J. googelt, ehe er seine Schwägerin anruft, was denn so ein Kind essen darf. Das Wort googeln gehört dann auch schnell zu Mayas Wortschaft
Chief Lambiase findet den Leichnam der jungen Mutter. Als Maya dann auch noch „Daddy!“ und „Hab dich lieb!“ zu A.J. sagt, kann er sie nicht mehr in eine Pflegefamilie geben. Maya verändert A.J.’s Leben von Grund auf. Er führt neuerdings Kinderbücher, die seine Adoptivtochter mit Leidenschaft anschaut. Er bestellt Frauenliteratur für seine Besucherinnen, die mit guten Ratschlägen, was Kindererziehung betrifft, nicht hinter den Berg halten. Und er bestellt noch mehr Kinderbücher für die Mädchen und Jungen dieser Frauen, die so gern mit Maya spielen. Stellenweise liest sich Gabrielle Zevins Roman wie ein Führer durch die moderne Literatur, trotz der Ablehnung A.J.’s gegen Jugendbücher, die die Autorin ja mit Erfolg geschrieben hat. Jedes Kapitel beginnt mit einem Hinweis auf ein Buch und A.J.s Vermerke zu seiner Lektüre. Auch Chief Lambiase, der wirklich nicht so gern liest, schaut sich im Laden um, kauft Krimis und freundet sich langsam mit A.J. und Maya an. Maya entwickelt sich bei ihrem Vater zu einer Leseratte und sie wird, davon sind alle überzeugt, irgendwann als Schriftstellerin reüssieren.
Gabrielle Zevin hat einen humorvollen, leichten, weit vom realen Leben entfernten Roman mit originellen wie liebenswerten Figuren geschrieben. Es geht um die Lust an der Literatur und um Menschen, die mit Büchern leben und diese lieben.
Mit einem Augenzwinkern erzählt sie von Autoren, die sich hinter einer anderen Person verstecken und von Erfolgen und Misserfolgen im Literaturbetrieb.
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