Ursula Poznanski: Stimmen, Wunderlich Verlag, Reinbek bei Hamburg 2015, 448 Seiten, €14,95, 978-3-8052-5062-7

„Statt endlich deutlichere Konturen zu entwickeln, wurden die Geschehnisse in der Klinik immer undurchsichtiger. Allmählich begann Beatrice zu glauben, dass wirklich ein völlig verwirrter Geist hinter den Taten steckte. Ein Mensch mit Wahnvorstellungen, jemand, der sich bedroht fühlte …“

Traumata, tiefe Verletzungen der Seele, entstehen oftmals in der frühesten Kindheit. Aber auch im späteren Leben kann diese psychische Erkrankung durch schwere äußere oder inneren Störungen, Gewalteinwirkungen oder Unfälle einsetzen. \r\nAls die Ermittler vom LKA Salzburg Beatrice Kaspary und Florin Wenniger ins Psychiatrische Therapiezentrum des Klinikums Salzburg-Nord gerufen werden, ahnen sie, dieser Fall wird extrem schwierig. Dabei hätte Beatrice beruflich mal etwas ruhigere Zeiten ohne ständige Überstunden nötig, denn Achim, ihr Ex-Mann, lässt sich keine Gelegenheit entgehen, um sie für ihren beruflichen Einsatz zu kritisieren. Wieder hat sie die Kinder zu spät abgeholt und wieder ist keine Zeit zum Kochen oder Spielen. \r\n\r\nUnd nun dieser Tote in der Psychiatrie: Dr. Max Schlager, ein ehrgeiziger angehender Facharzt. Seltsamerweise wurde seine Leiche mit bunten Plastikmessern dekoriert und mit einer Schiene in der Kehle postum verletzt. Gefunden hat die Leiche ein paranoid schizophrener Patient der Klinik, Walter Trimmel. Ihm hatten seine Stimmen im Kopf befohlen, das Blut des Toten aufzulecken. \r\nMit Feingefühl und vor allem Vorsicht müssen die Ermittler nun vorgehen, denn die Patienten dieser Klinik leben in anderen Wahrnehmungswelten. Außerdem herrscht zwischen den Ärzten kein gutes Klima, zumal den Kommissaren zugetragen wurde, dass der korrekte Dr. Schlager ziemlich viel Kritik besonders gegen seinen Vorgesetzten Professor Klement vorgetragen hatte. Dies geschah allerdings außerhalb der Klinik, denn ein Mediziner kratzt dem anderen kein Auge aus.

Und dann gibt es auch noch einen besondere Patientin, deren wahre Identität um jeden Preis geheimgehalten werden muss: Jasmin Matheis. Wochenlang schrieb die Presse über das Schicksal dieser jungen Frau, die von ihrem Vater in einem Kellerloch seit ihrem vierten Lebensjahr wie ein Hund gefangen gehalten und missbraucht wurde. Zwei Kinder hatte sie zur Welt gebracht, die der Vater tötete.
Unterernährt und völlig verstört wurde Jasmin gefunden. Jetzt ist sie bedingt durch die Pharmaka eine große, übergewichtige Frau, die nicht spricht und sich auch durch keine Regung in irgendeiner Form äußert.
Klar wird, dass der Mörder von Dr. Schlager über medizinische Kenntnisse verfügen muss, denn die Todesursache ist eine Überdosis Propofol.
Immer mehr gewinnt Beatrice den Eindruck, wenn sie die Patientengeschichten liest, dass sie zur Voyeurin des menschlichen Leides wird. Da ist der gestörte Walter Trimmel, den seine Mutter als Kind unmenschlich gedemütigt hat oder Maja Brem, die durch ihre anzügliche sexistische Sprache jeden verstört, aber offensichtlich von ihrem Stiefvater schwer missbraucht wurde. Seltsamerweise stammen alle Fingerabdrücke an den Messern auf Dr. Schlagers Körper von Jasmin. Beatrice beobachtet die junge Frau intensiv und versucht, auch wenn die Chance mehr als gering ist, zu ihr Kontakt aufzunehmen. Hat sie etwas gesehen und der Täter weiß genau, dass sie darüber nicht sprechen wird? Durch die Hilfe der jungen Ärztin,
Dr. Plank, die ebenfalls alleinerziehend ist, gewinnt Beatrice einen Einblick in die unterschiedlichen Therapien für die Patienten, die sich u.a. auch mit Tarotkarten beschäftigen. Über die mystische Symbolik der Karten und die einfühlsame Art der Ermittlerin Jasmin gegenüber, scheint sich eine Spur zu ergeben.

„ Ja, alles logisch. Aber trotzdem stimmt etwas daran nicht. Die Fünfzehn, der Teufel – wieso? Worauf wollte Jasmin damit hinweisen? Oder war das alles Quatsch, nur ein wirres Ideengebäude, das Beatrice sich zusammenbastelte?“

Doch dann wird Maja Brem aus dem Dienstzimmerfenster gestoßen, Walter Trimmel stürzt die Treppe hinunter und ein Pfleger der Klinik überfällt Beatrice in ihrem Hausflur und wird kurze Zeit später ermordet aufgefunden.
Könnte es sein, dass Jasmin alle täuscht und sich trotz Medikamenten, die sie gegen ihr autoaggressives Verhalten nehmen muss, verstellt und die Täterin ist? Und welche zerstörerischen Auswirkungen hat eine zerstörte Kindheit?

Die Ermittler tappen lange im Dunkeln, zumal Jasmin dann auch noch verschwindet und sie an die Öffentlichkeit gehen müssen. Die Psychiatrie ist für die Ermittler ein undurchsichtiges Terrain, um einen Mörder zu finden oder zeigt die Spur eher doch in Richtung Personal? Die Profilierungssucht und das Konkurrenzdenken der Mediziner könnte ein Motiv sein, aber sollten diese sich nicht eher um die Patienten sorgen?\r\nBeatrice Kaspary hat im Gegensatz zu ihren Kollegen ein besonderes Feingefühl gerade für gequälte Frauen. Erlebt sie doch gerade in ihrem Privatleben größtes Glück mit Florin und extreme Feindschaft mit ihrem Ex-Mann Achim.

Ursula Poznanski arbeitete über längere Zeit als Medizinjournalistin und konnte sicher aus ihrem Erfahrungsschatz schöpfen.