Ingeborg Kringeland Hald: Vielleicht dürfen wir bleiben, Aus dem Norwegischen von Maike Dörries, Carlsen Verlag, Hamburg 2015, 108 Seiten, €9,99, 978-3-551-55597-7

\„Dann hat das Telefon geklingelt. Und Mama hat geweint. Heute habe ich kein Zuhause mehr und bin mutterseelenallein. Ich hätte Lust, ganz laut zu schreien.“

Albin ist jetzt elf Jahre alt und lebt mit seiner Familie in einem Asylbewerberheim in Norwegen. Als er sechs war, mussten er, seine Mutter und seine jüngeren Zwillingsschwestern aus Bosnien fliegen. Soldaten kamen und erschossen den Vater vor den Augen der Kinder. Und nun ist Albin wieder auf der Flucht. Als die Polizei die Familie holen will, ist er einfach abgehauen. Seine Hoffnung, wenn er nicht bei der Mutter ist, dann kann man sie nicht des Landes verweisen. Albin hat in seinem kurzen Leben Dinge gesehen, die sind unbeschreiblich. Alles was in Bosnien geschehen ist, soll der Jungen vergessen. Doch der Rat der Mutter läuft ins Leere. Auf seiner Flucht erinnert sich Albin an die brutalen Geschehnisse, die Bilder, die er nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Er weiß noch, wie die Familie in einem Flüchtlingslager untergekommen ist und alle Männer nach ihrem Alter gefragt wurden. Der 15-jährige Orhan, der seine ganze Familie verloren hat, begleitete Albin und seine Familie auf dem langen Weg voller Entbehrungen. Er wurde von den Soldaten gleich mitgenommen. Albin soll sagen, dass er vier Jahre alt ist, aber der Junge will unbedingt älter wirken und behauptet er sei zehn. Wie kann er auch ahnen, was mit den moslemischen Männern in Srebenica geschehen ist?

Im Bus spricht Albin auf seiner einsamen Flucht kurz mit der kleinen Lisa und Amanda, die ein Jahr älter ist als er. Die Mädchen treffen ihre Großeltern, um zum Angeln zu fahren. Albin folgt ihnen und kriecht heimlich in den Kofferraum von Opas Auto. Er hofft, der Opa fährt nach Oslo, denn dort könnte er gut untertauchen. Aber weit gefehlt. Sie fahren in die Berge. Albin kann in einer Hütte unterkommen. Er beobachtet die Mädchen und ihre Großeltern und mopst etwas zu essen. Lisa erwischt ihn und schnell ist klar, dass Albin der gesuchte Junge ist.

Albin vertraut dem Opa und der holt dann doch nur die Polizei. Aber die Familie von Albin wird nicht abgeschoben. Vielleicht dürfen sie bleiben.

Ingeborg Kringeland Hald erzählt in wenigen Episoden aber eindringlich von einem traumatisierten Kind, das nichts vergessen kann. Albin spricht in Gedanken mit seinem Papa und weiß, dass er ihn nie wiedersehen wird. Nichts wird so sein, wie es war, wenn die Familie wieder in ihren Heimatort nach Bosnien zurückkehren muss, denn fast alle Bewohner wurden getötet. Albin hat sich an das Leben in Norwegen gewöhnt. Er will mit seiner Mutter und den Schwestern im Frieden leben und doch haben sie nur eine geringe Chance.
Es ist fraglich, ob Bücher für das wahre Leben sensibilisieren. Man kann es nur hoffen.