Anna Grue: Die Kunst zu sterben, Sommerdahls dritter Fall, Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg, Atrium Verlag, Zürich 2016, 512 Seiten, €19,99, 978-3-85535-202-9

„Das Gefühl von etwas Unheimlichen wurde immer intensiver und stand in einem sonderbaren Kontrast zu der Umgebung. Die saftig grüne Wiese mit den grauweißen Schafen und den noch immer grünen Holunderbeeren, der blaue Himmel mit den comicartigen Wattewolken, eine Lerche, die auf einem Zaunpfahl am Rand der Wiese stand und sang, als ob ihr Leben davon abhinge. All das sah nicht wie die Kulisse eines Verbrechens aus.“

Wer sich mit Bildender Kunst oder gar Literaturkritik in Christianssund beschäftigt, lebt scheinbar gefährlich. Kriminalkommissar Flemming Thorp jedenfalls hält die Bildhauerin Kamille Schwerin für gefühlsarm, unberechenbar, manipulativ und vor allem hinterhältig. Er unterstellt ihr den Mord an ihrer Mutter, der bekannten Literaturkritikerin Ingegerd Clausen, und das noch in ihrer eigenen Villa. Zwei Mordversuche hat Kamille Schwerin überlebt und auch hier scheint sich Flemming sicher zu sein, dass sie diese selbst inszeniert hat. Mit ihrem Millionärsgatten und Kunstmäzän im Rücken ist sie für die Polizei unantastbar.

Anna Grue lässt ihre Protagonisten immer wieder aus ihren Perspektiven erzählen und somit bleibt die Handlung lebendig, denn jeder sieht die Geschehnisse auf seine Weise. Als Kamille Schwerin als Promi auserwählt wird, um bei der TV-Reality-Show Mörderjagd auf der einsamen Insel Nyholm mitzumachen, und auch noch Dan Sommerdahl als Ermittler dabei ist, muss Flemming über seinen Schatten springen und Sommerdahl, dem er ja eigentlich die Freundschaft gekündigt hatte, um Hilfe bitten. Sommerdahl hatte die Ermittlungen von Flemming beim letzten Mal empfindlich gestört und doch letztendlich zum Erfolg geführt. Dan soll sich nun Kamilles Verhalten genau anschauen und Schwachstellen finden.

Der Hype um die „Mördershow“, bei der die Zuschauer darüber abstimmen, wer getötet werden soll, ergreift Christianssund. Allerdings sind die sechs Mitspieler alle nicht gerade auf dem aufsteigenden Ast ihrer Karriere, mit Ausnahme vielleicht vom sympathischen Designer Gunnar Forsell. Auf der Insel lebt das Ehepaar Krogsgaard mit seinen Milchschafen und soll der Fernsehcrew zur Seite stehen. Von Anfang an schafft es Kamille Schwerin, mit ihrem humorfreien und divenhaft-pingligen Verhalten die Leute gegen sich aufzubringen. Niemand ahnte, dass sie als Kind bereits auf der Insel Ferien gemacht hatte und somit auch Mads Krogsgaard kennt. Er hatte sich als Teenager in sie verliebt und sogar nach ihrer Ablehnung, versucht sich umzubringen. Kamille hat bei dieser Erinnerung an den Jungen nur abfällige Worte übrig. Dan ahnt, dass sie durch ihre Empathielosigkeit die erste Kandidatin sein wird, die die Zuschauer aus der Show wählen. Und so kommt es auch. Gunnar soll sie ermorden. Aber jemand übernimmt seinen Part, allerdings im wahren Leben.

Kamilles Leiche wird ausgerechnet unter dem Bett von Dan gefunden, der ein Schäferstündchen mit der attraktiven Schauspielerin Kirstine Nyland hatte. Sein Alibi ist lückenlos, seine Ehe jedoch durch diesen erneuten Betrug vorbei.

Flemming gelangt mit seiner Mannschaft auf die Insel und beginnt gemeinsam mit seinem Freund Sommerdahl im Sanatorium, wo alle unterbracht sind und auf der Insel zu ermitteln. Alle Anwesenden haben in irgendeiner Weise, wie in Agatha Christies Krimi „Und dann gabs keines mehr“ mit dem Opfer zu tun. Alle hassen sie und jedem könnte man den Mord zutrauen. Dan Sommerdahl wird wieder der richtigen Fährte folgen, denn beide Morde an Mutter und Tochter wurden von einem Täter verübt, der sich auf der Insel aufhält.

Leicht überkonstruiert und mit klischeehaften Figuren ausgestattet erscheint diesmal die Krimigeschichte der dänischen Autorin Anna Grue, die sich in die Welt der Medien und Kunstschaffenden wagt. Es geht um die Eitelkeiten in der Branche, die Netzwerke und wahren Intrigen. Jeder erhofft sich einen Vorteil durch die Teilnahme und Massenwirksamkeit der TV-Reality-Show. Jeder verachtet das Format, aber Geld stinkt nicht und bekannt sein ist alles.