Judith W. Taschler: Die Deutschlehrerin, Picus Verlag, Wien 2013, 224 Seiten, €21,90, 978-3-85452.692-6
„ Jeder Mensch trägt in sich ein Motiv, ein Thema, das die Partitur und Melodie seines Lebens prägt.“
Nein, in diesem Roman dreht sich nicht alles um den Stress, den Lehrer auf sich nehmen, um ihren Beruf zu verkraften. Ganz im Gegenteil, Mathilda Kaminski ist eine Deutschlehrerin, die ihre Arbeit mit den Schülern liebt, sich gern Neues für den Unterricht ausdenkt und mit Herz und Seele ihren Beruf ausübt.
Im Mittelpunkt dieses Romans steht die gescheiterte Beziehung zwischen der Deutschlehrerin Mathilda Kaminski und dem Schriftsteller Xaver Stern. Beide haben sich früh als Studenten kennengelernt und waren gut 15 Jahre in Wien ein Paar. Nach der Trennung, 14 Jahre später, kreuzen sich wieder ihre Wege, denn der einst erfolgreiche Jugendbuchautor Xaver soll in Mathildas Klasse ein Projekt leiten. Ein Zufall oder doch arrangiert?
Erst durch den E-Mail-Verkehr der Protagonisten klären sich für den Leser die Verbindungen zwischen den beiden. In Rückblenden entsteht ein Bild vom Zusammenleben der doch sehr unterschiedlichen Charaktere, der psychologischen Verkettungen, die Menschen eingehen, um glücklich zu werden. Mathilda brilliert durch ihre Lebenstüchtigkeit, ihre Kraft und ihren gesunden Ehrgeiz, sie packt die Dinge an, lässt sich nicht durch die miesen Attacken ihrer unzufriedenen Mutter, die ihr Leben lang in der engen Sozialsiedlung vorm Fernseher hockte, herunterziehen.
Xaver verliebt sich in Mathilda, die ihn mehr als andere Frauen, anstrahlt, bewundert und in seinem Schreiben voranbringt. Mit ihr kann er Geschichten austauschen, sie nimmt seine Arbeit ernst. Doch im Laufe der Jahre, der Erfolg als Autor stellt sich nicht ein, verliert auch Mathilda die Hoffnung auf finanzielle Unterstützung seinerseits. Ein unterschwelliger Kleinkrieg schleicht sich in die Beziehung ein und Mathildas sehnliche Hoffnung auf ein Kind. Xaver jedoch kennt keine Kompromisse, er lehnt die Verantwortung für einen anderen Menschen kategorisch ab. Später wird sich herausstellen, aber da ist es bereits viel zu spät, das er gar nicht zeugungsfähig ist.
Als dann, durch eine Idee von Mathilda zu einem Jugendbuch, sich der schriftstellerische Erfolg für Xaver schlagartig einsetzt, verschwindet er aus ihrem Leben, ohne ein Wort zu hinterlassen.
Er behauptet zwar, ihr geschrieben zu haben, aber das ist eine Lüge, denn Mathilda weiß genau, dass Xaver, und das ist für einen Schriftsteller nicht gerade förderlich, sich lieber Geschichten ausdenkt, aber nicht gern niederschreibt.
Xaver beginnt ein neues Leben, mit einer Frau mit Promi-Bonus, die er auch noch heiratet und angeblich schwängert. Aber diese Beziehung endet mit einer Scheidung, denn die Ehe belastet die Entführung des eineinhalbjährigen Sohnes Jakob.
Tief taucht der Leser in die Beziehung von Mathilda und Xaver ein, die sich vieles bei ihrem erneuten Treffen zu sagen haben. Xaver erzählt von seinem neuen Roman, der sich mit dem Schicksal seines Großvaters beschäftigt und den Mathilda mit ihrer Vorstellungskraft bereichert. Mathilda will von Xavers gescheiterten Beziehung und seinem Kind alles wissen und sie durchschaut vieles, was Xaver rigoros verdrängt hat. Mal entstehen aus beider Leben Fantasiegeschichten, mal handeln sie vom realen Leben und führen Xaver bis an seine Schmerzgrenze.
Scheinbar entgeht man seinem Schicksal nicht, löst sich nicht von seiner Herkunft.
Immerhin erfüllt Xaver den Wunsch der Mutter und zieht in sein Elternhaus nach ihrem Tod. Mathilda bildet sich ewig ein, man könne den miefigen Geruch der kleinen Wohnung, in der sie gedemütigt aufwachsen musste, an ihr riechen.
Als ungeliebtes Kind sucht sie sich einen Mann, der von seiner Mutter über alles geliebt wurde. Er hat sie ausgenutzt, sie hat es geschehen lassen und doch immer noch das Beste aus ihm herausgeholt. Das weiß er am traurig stimmenden Ende, doch da ist es, wieder zu spät.
Judith W. Taschlers Roman fesselt den Leser, keine Frage, aber sie hat ihre Geschichten, die sich um Familienkonstellationen drehen, so weit ausgeschrieben, dass für eigene Gedanken wenig Raum bleibt. Psychologisch ist alles durchschaubar und so bleiben keine Fragen offen. Judith W. Taschler hat ihren Roman zu akkurat verschnürt, um ihm noch Luft zum Selberatmen zu lassen.
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