Elisabeth Herrmann: Seefeuer, cbt Verlag, München 2014, 414 Seiten, €14,99, 978-3-570-16267-5
„Dein Zuhause ist da unten. Oder so ähnlich. Wirres Zeug. Aber es musste doch etwas Wahres daran sein. Das Meer hatte Marie schon immer fasziniert.“
Im Wattenmeer taucht ein bereits lang vermisstes Wrack auf, es ist die Trinity, die im April 1951 auf ihrem Weg von New York nach Hamburg mit über 50 Menschen und einer wertvollen Ladung chinesischen Porzellans untergegangen ist.
Die einzige Überlebende dieses Schiffsunterganges war damals Clara Vossenkamp. Ihre zwanzigjährige Enkelin Marie hat sich seit dem Tod des Vaters vor vier Jahren von ihrer Familie in Cuxhaven immer mehr distanziert. Ihre Mutter, Viola, ist eine in ihre Malerei verliebte Egoistin und der neue Freund der Mutter, Magnus von Treut, offensichtlich nur an der einst wohlhabenden Import-Exportfirma der Vossenkamps interessiert. Als sich Maries Mutter für ihr Kind oder den neuen Freund entscheiden sollte, wählte sie den Mann. Marie jedoch hat ihren eigenen Weg längst gefunden. Sie kümmert sich in einem Praktikum um junge Seehunde, sogenannte Heuler, die in der Aufzuchtstation in Friedrichskoog landen, wenn sie ihre Mütter verloren haben. Nach dem freiwilligen ökologischen Jahr will sie Meeresbiologie studieren. Doch dann erleidet Maries Großmutter einen Schlaganfall. Schnell ist klar, dass von Treut die Großmutter entmündigen will, denn er hat bei der Durchsicht der Unterlagen festgestellt, dass sie horende Summen an eine Gesellschaft für Schiffbrüchige überwiesen hat, die nicht existiert.
Parallel zur gegenwärtigen Handlung, die immer wieder mit Rückblicken auf die Geschichte der Vossenkamps ergänzt wird, kommt eine Stimme von einer Person zu Wort, die Marie nicht nur schaden will, sondern sie auch töten.\r\n\r\nAls das Wrack zum Vorschein kommt, sind auch gleich Schatzsucher von der Sea Fire vor Ort. Das Tauziehen um die Rechte der Bergung und vor allem um den Schutz des Wattenmeeres beginnt. Sollte der Korrossionszustand der Tanks bedenklich sein, könnte das Meer verseucht werden.
Marie lernt den Taucher Vincent von der Sea Fire kennen und kann nicht verstehen, warum Leute das Seegrab ihrer Familie zerstören wollen. Sogar von Treut stellt sich auf Maries Seite, bis sie erkennt, dass er nur blufft.
Nach und nach, inzwischen ist die Großmutter gestorben, wird Marie mit der Familiengeschichte der Vossenkamps vertraut. Einst gab es den Ururgroßvater Gustav. Er enterbte seinen Sohn Albert, weil dieser den eigenen Bruder Piet und seine jüdische Frau Ruth verriet. Die beiden konnten in letzter Sekunde in die USA fliehen und wollten 1951 nach Deutschland auf Bitte des Vaters zurückkehren.
Nun erscheint an Bord der Sea Fire ein Nicolas Vosskamp, der Anspruch auf die vier Kisten mit dem chinesischen Porzellan im Wert von über 25 Millionen erhebt.
Marie belauscht an Bord der Sea Fire, dass von Treut mit diesem Mann, dem Sohn von Albert Vosskamp, der laut Testament eindeutig enterbt wurde, Geschäfte macht.
Aber es kommt noch ärger. Marie entdeckt ein weiteres Familiengeheimnis und muss feststellen, dass sie mit den Vossenkamps eigentlich gar nichts zu tun hat und ihre Familiengeschichte neu geschrieben werden müsste. Doch dann hat sich angeblich Viola, die weltfremde Künstlerin, die Pulsadern aufgeschnitten.
Marie weiß eines ganz genau, ihre Mutter würde sich nie das Leben nehmen. Das ist ohne Zweifel ein Mordanschlag und es dauert nicht lang und Marie ist in Lebensgefahr. Im Hintergrund lauert der stets anwesende Feind, dessen wahre Identität der Leser erahnt und falsch liegt. Dass seine Taten vom Wahnsinn getrieben sind, macht die Geschichte um so bedrohlicher.
Unterhaltsam liest sich dieser etwas überladene Thriller als Mix aus Liebesgeschichte zwischen Vince und der unscheinbaren Marie gepaart mit schockierenden Familiengeheimnissen, die, eine Vorliebe von Elisabeth Herrmann, der Griff in die deutsche Historie, bis in die Zeit des Naziregimes zurückgehen. Es geht um lebenslange Lügen, Rache, Eifersucht, wie so oft Gier und vor allem Familienehre. Immer neue Wendungen regen bei klarer Figurenzeichnung die Neugier des Lesers an und legen offen, wie geschickt Elisabeth Herrmann ihre Erzählstruktur konstruiert, um die Spannung bis zur letzten Seite aufrecht zu halten.
Schreibe einen Kommentar