Jan Henrik Nielsen: Der Junge, der sich Vogel nannte, Aus dem Norwegischen von Friederike Buchinger, Boje Verlag, Köln 2013, 300 Seiten, €12,99, 978-3-414-82361-8

„Überall sind neue Gräber. Graue Sandhaufen ohne Kreuze oder Grabsteine. Sogar die Wege sind aufgegraben.“

Gut fünf Jahre haben sie auf einer Schäreninsel unter der Erde gewohnt, in einem Bunker, der, und das war Zufall, zum Haus gehörte, dass der Großvater gekauft hatte. Ein Glücksfall, denn so konnten sie überleben. Als Nana mit dem Papa und der damaligen Baby-Schwester Fride abtauchte, war sie sieben Jahre alt. Langsam gehen die Dosenvorräte dem Ende entgegen, Nanas Papa hat sich verletzt und die Kinder hassen mittlerweile den engen, modrigen Bunker. Sie wollen endlich wieder an die frische Luft und nicht nur per Periskop die Fordlandschaft, den Leuchtturm und das Meer betrachten.

Der Vater jedoch ist skeptisch, er weiß nicht, ob die Krankheit, die Tausende von Menschen hinweggerafft hat, wirklich verschwunden ist. Nanas Mutter hat als Ärztin die Familie damals mit Medikamenten versorgt, sie selbst ist verschollen. Per Zufall gelangen die Mädchen doch in den Garten und wollen nicht mehr in den Bunker zurück.

Der vorsichtige Vater bemerkt, dass er sich durch die Verletzung infiziert hat. Die Mädchen müssen nun den gefährlichen Weg in die Stadt antreten, die weit von ihrer Insel entfernt ist, und das Medikament, dass in ihrer Wohnung im Klavier versteckt ist, holen.

Einerseits hoffen die Kinder, dass es Menschen gibt, die überlebt haben, andererseits fürchten sie sich davor. Nana hatte ein grün blinkendes Licht gesehen, dem Vater, um ihn nicht zu beunruhigen, nichts gesagt.
Auf dem beschwerlichen Weg durch eine kahle, leblose, stumme Landschaft, auch die Natur ist gestorben, treffen die Mädchen Überlebende, die hilfreich sind. Fride löchert Nana mit tausend Fragen über das Leben, als alles noch normal war.

In der Stadt begegnen die Kinder einem elternlosen Jungen, der sich Vogel nennt. Er hat sich mit Hilfe der Vorräte, die er in der leeren Stadt gefunden hat, über Wasser gehalten. Wie ein Geist folgt er den Mädchen, taucht auf und verschwindet.
Nach der langen beschwerlichen Reise finden die Kinder endlich die Wohnung, aber im Klavier ist nichts versteckt.
Die Kinder spüren die Einsamkeit des Jungen, der sich zum Eigentümer der Stadt aufspielt. Mit den Erzählungen von den Schatten versucht er die Mädchen einzuschüchtern, auch um immer in ihrer Nähe zu bleiben und sie zu beschützen.

Und Ask, so ist sein richtiger Name, zeigt Nana sein Geheimnis – Tomaten, die herrlich schmecken. Ein Zeichen von Leben.

Und dann erwartet die Kinder eine freudige und eine traurige Nachricht.

Der norwegische Autor Jan Henrik Nielsen zeichnet ein Zukunftsbild, dass junge Leser in Furcht und Schrecken versetzen kann. Die Vorstellung, dass die Erde langsam stirbt und mit ihr alle Lebewesen, ist beängstigend. So verzichtet der Autor auch auf drastische Szenen und deutet nur an, wie brutal Menschen sich verhalten können, wenn das Ende naht. Es wird auch nicht erklärt, warum oder wodurch ein Virus auftaucht und die Menschen vernichtet. Schuldzuweisungen bleiben außen vor. Die Atmosphäre, in der die Mädchen nach dem Medikament für den Vater suchen, ist bedrückend. Mit einem Hoffnungsschimmer endet der dystopische Roman, der fesselnd geschrieben ist und auf jeden Fall die Phantasie anregt.