Stefan Bachmann: Die Seltsamen, Aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel, Diogenes Verlag, Zürich 2013, 368 Seiten, €16,90, 978-3-257-06888-7

„Gentlemen aus Westminster verfolgten keine mechanischen Vögel durch die Straßen der Stadt. Sie machten nicht Jagd auf Mörder oder halfen fremden Leuten. Mr. Jelliby hatte all das getan. Für ihn gab es jetzt kein Zurück mehr.“

London im Qualmzeitalters: Kutschen fahren durch die düsteren Straßen, Gaslaternen werden angezündet, es herrscht eine Königin. Allerdings wandeln nicht nur Menschen auf den Straßen von London oder Bath, denn nach dem „Heiteren Krieg“ zwischen dem Verborgenen Volk, den Sídhe, und den Menschen leben nun auch Gnome, Kobolde, Satyre, Feen und andere Gestalten auf der Erde. Sie und ihre Magie werden jedoch mit schlagenden Glocken oder Eisen in Bann gehalten.

In den Feenslums von Bath leben die Kinder Bartholomew und Hettie zwar beschützt von ihrer Mutter, aber unter unwürdigen Bedingungen. Die beiden Mischlinge, der Vater ist ein Hochelf und die Mutter ein Mensch, auch genannt die Seltsamen, darf niemand sehen. Sie sind verhasst bei Menschen und den Sídhe. Häßlich sollen sie sein, mit ihrer hellen Haut und den Zweigen, die aus ihrem Kopf, speziell bei Hettie, sprießen. Barthy jedoch beobachtet wie eine fein gekleidete junge Dame im prächtigen pflaumenblauen Kleid den Jungen vom Haus gegenüber mit sich nimmt.

Inzwischen wird im Staatsrat bekanntgegeben, dass bereits neun Kinder, sogenannte Mischlinge, tot aus der Themse gezogen wurden. Ihre Körper waren innen hohl und mit einer seltsamen Feinschrift beschrieben. Verwerfen die einen Parlamentarier diese Morde an den Teufelskindern als Nebensache, so regt sich der einzige Sídhe in der Regierung, Mrs. Lickerish, ein Hochelf und Justizminister, über die Gleichgültigkeit der Politiker auf. Arthur Jelliby, ebenfalls Parlamentsabgeordneter, konnte sich geradeso aus dem Bett quälen, um der wichtigen Sitzung beizuwohnen. Am liebsten würde er vor den Horrorbildern Augen und Ohren verschließen und weiterhin dem Müßiggang fröhnen.

Als Jelliby bei Lickerish zu Hause mit anderen Politikern eingeladen wird, verdächtigt man ihn plötzlich als Spion, dabei wollte er in dem riesigen Haus nur die Toilette finden. Jelliby versucht sich nun unsichtbar zu machen, denn nichts nervt ihn so sehr wie falsche Nachrede. Durch Zufall hört er dann auch noch im Parlamentsgebäude ein Gespräch zwischen der geheimnisvollen Dame im schönen Kleid und dem Justizminister, aus dem hervorgeht, dass niemand anderes als der hinterhältige Lickerish die Morde in Auftrag gegeben hatte. Die junge Dame, Melusine, sieht Mr. Jelliby und bittet ihn versteckt, ihr zu helfen.

Jetzt kann der labile Jelliby, immerhin Gentleman, nicht mehr tatenlos zusehen, er muss herausfinden, was vor sich geht. Als er beobachtet, wie der Justizminister einen mechanischen Vogel auf die Reise schickt, verfolgt er dessen Spuren und gelangt nach einigen Umwegen zu Bartholomew in Bath. Inzwischen jedoch ist Hettie mit der rätselhaften Dame, in der offenbar ein Dämon steckt, verschwunden. Barthy gibt sich an dieser Entführung selbst die Schuld, denn offenbar hat sich ein Geist ins Haus eingeschlichen, der Hettie aufgesucht hat. Barthy denkt, er habe diesen Hausgeist beschworen, um der Mutter zu helfen. Doch hinter der heimlichen Aktion versteckt sich die Sehnsucht des einsamen Kindes nach einem Freund.

Auf der Suche nach Hettie verbünden sich Barthy und Mr. Jelliby, dem inzwischen der scheinheilige Justizminister nach dem Leben trachtet.
Eine alte, ziemlich verschlagene Grünhexe verrät den Komplott, den der Justizminister schmiedet. Ein neues Portal für das Verborgene Volk soll geöffnet werden, um die Feenwesen zu befreien.

Ein Sechzehnjähriger, der in der Schweiz lebt, schreibt seinen ersten Fantasy-Mehrteiler und mixt alle bekannten Ingredenzien aus klassischen Fantasyromanen mit etwas Steampunk. Dabei steht für die Entwicklung des Plots wie so oft das verlockende, dunkle London des 19. Jahrhunderts Pate, sowie die Autoren J.K.Rowling, Jonathan Stroud oder C.S. Lewis. Doch keine Frage, Stefan Bachmann kann schreiben und versteht es, seinen Figuren Lebendigkeit und Charakter zu verleihen. Ab und zu verliert sich der junge Autor im ersten Band in viel zu viele Details und langatmige Beschreibungen anstelle einer strafferen Handlung. Aber immerhin muss ja ein Setting aufgebaut werden, um die Spannung anzuheizen und aufregende Ansatzpunkte für die Fortsetzung zu liefern. Fantasievolle, ambivalente Wesen bevölkern die unterhaltsame, geschickt aufgebaute Geschichte zwischen Magie und Lebensalltag. Eine etwas skurrile Hauptfigur, die eher durch Zufall als Absicht in das Abenteuer hineinstolpert, verleiht der Handlung etwas schrägen Humor.

Auf den zweiten Band, der im Herbst erscheinen soll, darf man jedenfalls gespannt sein.