Gretchen Olsen: 2 ½ Punkte Hoffnung, Aus dem Englischen von Gabriele Haefs, Aufbau Verlag, Berlin 2011, 217 Seiten, €12,95, 978-3-351-04130-4
„Meine einzigen Gedanken kreisen darum, jeden einzelnen Tag zu überstehen und keinen Ärger zu kriegen.“
Zahlen und Punktesysteme können helfen, ein Leben in den Griff zu bekommen oder sich zu belohnen. Hope greift immer wieder auf Zahlen zurück, um sich besser zu fühlen. Bei der 6 stellen sich gute Empfindungen ein, andere Ziffern jedoch verdeutlichen ihr, wie sehr sie doch versagt hat. Denn eine Versagerin ist sie, auf der ganzen Strecke. Warum sollte sie es nicht sein, ihre Mutter macht es ihr fast jeden Tag mit Worten klar. Sie ist das „dumme Dreckstück“, das nichts auf die Reihe bekommt, sie ist ein Trampel und zu nichts zu gebrauchen. Die 11-jährige Hope hat als Baby ständig gebrüllt, da ist der Vater abgehauen. Wer ist schuldig? Natürlich Hope.
Wie hochfliegend waren doch die Pläne der Mutter, Schauspielerin wollte sie werden und nun muss sie in einem Büro arbeiten und sich mit der nutzlosen Hope, die sich wenigstens um alles im Haushalt kümmert, und Bruder Tyler abgeben. Hope kann sich nicht erklären, warum die Laune der Mutter von freundlich zu extrem wütend von einer Sekunde zur anderen umschlagen kann. Der erwachsene Leser weiß, dass die Mutter all ihre Frustrationen auf die Tochter überträgt. Dass sie jedoch nur noch egoistisch auf ihre Bedürfnisse achtet und keine Reue empfinden kann oder zumindest Gewissensbisse, ist zutiefst erbärmlich. Als die Mutter dem Kind zum 12. Geburtstag dann 25 Dollar in die Hand drückt, um lieber mit der eigenen Freundin shoppen zu gehen, hat sie beim Leser endgültig verspielt.
Dass Hope diese Mutter hasst ist nur allzu verständlich, dass sie aber auch sich selbst nicht lieben kann, schmerzt. Hope hat von der so genannten verbalen Misshandlung gehört, aber das kann sie kaum retten.
Wie empfindungsreich dieses Mädchen ist, zeigt Gretchen Olsen in vielen Schulszenen, in denen gerade in Geschichte der Holocaust auf dem Lehrplan steht. Hope ist fasziniert vom Tagebuch der Anne Frank und sie fühlt sich in das Mädchen hinein. Aber Hope, und das fängt sie auf, lernt Menschen kennen, die sie schätzen. Da sind die beiden Frauen vom Second-Hand-Laden, in dem Hope ihre lila Lieblingswanderschuhe entdeckt und die Konfliktberaterin der Schule, die es schafft, Hope endlich zum Reden zu bringen.
Mit Hilfe der Menschen, die Hope mögen, darf das Mädchen dann trotz Verbot der Mutter ins ersehnte Sommerlager fahren.
Aber es gibt Hoffnung für Hope. Die Mutter sieht ihre Fehler ein und versucht, mit Hilfe der Konfliktberaterin ihre Wut in den Griff zu bekommen.\n\nLeider ist das Ende der komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung wenig überzeugend, denn so wie die Geschichte es weismachen will, ist ein schwieriger Mensch wie Hopes Mutter, nicht geläutert. Zu tief sitzen die Verletzungen bei Hope als dass es so einfach wäre, wieder eine vertrauensvolle Beziehung zur Mutter, die mit sich zu allererst klarkommen muss, aufzubauen.
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