Dora Heldt: Die Familienangelegenheiten der Johanne Johansen, Hardcover, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2024, 446 Seiten, €23,00, 978-3-423-28430-1
„Vor vielen Jahren hatte sie einmal gedacht, dass die Rederei ihr Leben werden würde. Aber dazu war es nicht gekommen, ihr Vater hatte sein Versprechen nicht mehr halten können und Onkel Friedrich hatte ihr das verwehrt.“
Eine mittelalterliche Hausfrau und eine sehr rational denkende Rentnerin werden eine Reederei retten und dabei Hilfe von jungen Frauen erhalten, die bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr genau wussten, wohin ihre Reise zwischen langweiligem Studium und Kiffen gehen sollte. Die Männer sind in diesem Szenario die Verlierer und eindeutigen Loser, die überkommenen wie arroganten Denkweisen und Allmachtsphantasien frönen.
Die Hauptfigur in Dora Heldts Roman, der allen alten wie unterschätzten Frauen gewidmet ist, ist Johanne Johansen, die nach über vierzig Arbeitsjahren mit fünfundsechzig ohne gebührenden Abschied oder wenigsten Blumen in die Rente geht. Ihr Chef hatte einfach mal ignoriert, dass Johanne mehrmals signalisiert hatte, dass sie wirklich ihren Chefsekretärinnentisch zum Stichtag verlässt. Doch Johanne, die weder Kinder noch Tiere und auch viele Menschen nicht mag, nimmt es sportlich. Ihre Rente reicht und sie hat ja noch die Anteile an der Reederei ihrer Familie, die sie nicht sonderlich schätzt. Da ist ihre verwöhnte Cousine Luise, die immer wie aus dem Ei gepellt aussieht und gern shoppen geht und deren kaum geschätzter Mann Thilo-Alexander, der natürlich nach dem frühen Tod von Johannes Eltern und dem Ausscheiden von Friedrich, dem Vater von Luise, die Geschäfte mit seinem nichtsnutzigen Sohn übernommen hat. Dass die beiden die Reederei in die Miesen geführt haben, wird bereits im Hafen gemunkelt. Doch nun wird erst mal heile Welt gespielt und Luise und ihr Mann feiern ihre Silberhochzeit. Die Lesenden ahnen, dass der gute Thilo-Alexander ein kostspieliges Zweitleben führt und Luise, naiv und weltfremd, aus allen Wolken fällt als dies ans Tageslicht kommt. Einst sollte Johanne die Reederei führen, aber Onkel Friedrich wollte keine Frau an seiner Seite.
Aber nun schlagen die Banken Alarm, Luises Villa ist vakant und die Schulden privat wie geschäftlich gehen ins Unermessliche. Thilo-Alexander hingegen liegt nach einem Unfall im Koma und seine Sohn Henner ist wie vom Erdboden verschwunden, denn ein seltsamer Mann versucht, ihn ständig zu erreichen. Onkel Friedrich, nun im Seniorenaltersheim lebend und nicht dement, wie Thilo-Alexander alle glauben machen wollte, will für Schadensbegrenzung sorgen, erleidet aber einen Zusammenbruch. Und nun muss Johanne ihren ersehnten Ruhestand verlassen und gemeinsam mit Luise, die so ganz anders lebt und handelt als sie, entweder die Firma gut an die bauernschlaue Konkurrenz verkaufen oder sanieren, was angesichts der desaströsen Lage nicht einfach sein könnte.
Diese Geschichte über ungebremste Frauenpower, die immer wieder durch die unverschämte Überheblichkeit der genesenden Männer scheinbar gestoppt werden kann, liest sich flüssig, aber ist doch mit allzu vielen Klischees durchsetzt. Die Dummen und Arroganten sind natürlich fett, die Hysterischen dünn und die Pragmatischen bodenständig und langweilig.
Zum Glück packt auch Luises bisher nicht gerade fleißige Tochter Emma mit an. An Johannes Seite im Haus der Eltern lebt Edda Frank, die Haushälterin, die mit Tochter Paula und Enkeltochter Frida gesegnet ist, die beide ebenfalls keine Arbeit scheuen und Johanne mehr als helfen.
Die Welt ist sicher nicht so, wie es Dora Heldt gern darstellen möchte, die Frauen richten alles und die Männer sehen in die Röhre. Aber man darf ja mal träumen.