Luke und Jon

Robert Williams

Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit, Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2011, 186 Seiten, �7,90

�Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Jon und ich wie Schatten voneinander waren, dass wir uns gegenseitig auf die Zehen traten und die Luft des anderen atmeten.�

Das sind schon zwei traurige Gestalten, die gleichaltrigen 13-jährigen Jungen Luke und Jon. Luke hat noch seinen Vater, der sich jedoch nach dem Unfalltod der Mutter gehen lässt und trinkt. Jon dagegen lebt in einem total heruntergekommenen, mit allem möglichen Müll vollgestopften Haus. Als Luke zum erstenmal hineinschaut, ist er nicht sicher, ob er Ratten oder Mäuse vorbeihuschen sieht. Jons sehr alte Gro�eltern haben sich in dem Haus verbarrikadiert, damit das Jugendamt ihnen den Enkelsohn nicht wegnimmt. Seinen Vater hat der Junge nie gesehen und die Mutter ist tot. Wie lang Jon bei den Gro�eltern lebt, kann er selbst gar nicht sagen. Luke zieht mit dem Vater, der Holzspielzeug baut, in Jons Ort Duerdale. Hier sind die Hauspreise niedrig und irgendwie, so hoffen Luke und sein Vater, wird alles anders. Kaum in Duerdale gestrandet, noch sind Sommerferien, gesellt sich Jon zu Luke und die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Jon sieht in seinen uralten Klamotten schon komisch aus, aber Luke stört das nicht. Er ist glücklich, wenn er einfach seine Ruhe hat und zeichnen kann. Immer wieder kehren die Erinnerungen an die verunglückte Mutter zurück, eine lebensfrohe Frau, die jedoch manisch-depressiv war. Für Lukes Vater war sie die gro�e Liebe. Nun werden die polizeilichen Ermittlungen wieder aufgenommen, denn es besteht die Annahme, dass die Mutter mit Absicht in den LKW gerast ist, um sich das Leben zu nehmen. Lukes Vater hatte sich vorgenommen all seine Energie in die Renovierung des Hauses zu stecken, doch nach dieser Nachricht verkriecht er sich immer mehr hinter seine Arbeit und den Alkohol. Jon und Luke stützen sich gegenseitig und als die Schule beginnt, ahnt Luke, dass Jon einen Freund an seiner Seite benötigt. Luke stellt sich vor Jon, besonders als er bemerkt, dass Jon von einem Mitschüler immer wieder geschlagen wird. Aber dann tritt die Katastrophe ein, das Jugendamt dringt mit Hilfe der Polizei in Jons Haus ein und bringt die Gro�eltern und Jon ins Krankenhaus. Klar ist, sie können sich nicht um den Jungen kümmern. Da hat Luke, nachdem er seinem Vater das Heim, in das Jon wahrscheinlich einquartiert wird, gezeigt hat, eine Idee. Und dieser Plan beflügelt nicht nur Luke, sondern auch seinen Vater, denn er wei�, das hätte seine verstorbene Frau auf jeden Fall gewollt. Ob es dann einfach ist, was die beiden sich ausdenken, bleibt dahingestellt.

Robert Williams Hauptfiguren wirken in seinem Debütroman eigenwillig, sind aber durch die lebendige Sprache überzeugend gezeichnet. Für beide Jungen, die von den Mitschülern als Looser betrachtet werden, ist der Alltag nicht leicht, denn ihr Umfeld hat sich völlig verändert. Loyal halten sie zu ihren Familien oder was davon noch übrig geblieben ist und bekommen viel zu wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung. Luke kann immer noch aus seinen Erinnerungen an die Mutter schöpfen, Jon wei�, dass die Gro�mutter an Demenz leidet. Aus Lukes Sicht, feinfühlig und trotzdem lebensecht, verfolgt der Leser die realistische Handlung und kann sich gut in die Figuren und die Beweggründe für ihr Handeln hineindenken.

Robert Williams hat acht Jahre lang als Buchhändler gearbeitet. Für seinen schmalen Band hat er verdient den englischen National Book Tokens Prize der Buchhändler erhalten.