Altersgruppe

Jeder, der eine gut sortierte Buchhandlung betritt, findet gerade im Bereich für Kinder und Jugendliche die übliche Einteilung nach Altersgruppen. Je nach Mode, Jahreszeit oder Bestseller-Hoffnung, sind auch Thementische aufgebaut, die Lese- und Kaufanregungen bieten wollen. Nicht immer, aber oft versehen die Verlage, die Buchhändler fordern das angeblich, zur leichteren Orientierung, ihre Neuerscheinungen mit einer Altersempfehlung. Der rasant wachsende Trend zum �All Age�-Buch befreit natürlich von diesem Kastendenken und eröffnet ganz neue Perspektiven. Immer mehr Verlage, auch für Belletristik, entdecken für sich dieses neue Segment. Jeder ist also fein raus, der einem Mädchen ab ca. 14 Jahren Fantasybücher, Krimis, Vampir- oder Liebesgeschichten empfehlen möchte. Stehen diese Bücher jedoch in der Kinderbuch-Ecke, auf die ein Jugendlicher auf gar keinen Fall zusteuert, dann sieht es schon schlecht aus. Jungen werden diesen Bereich gerade in kleinen Buchhandlungen peinlichst meiden.

Doch wie ist es beim Kauf von Bilderbüchern? Verlässt man sich hier auf Altersangaben? Sicher nicht, denn hier sollte man wirklich seinem eigenen Gefühl vertrauen, selbst blättern und sich fragen, auf welche Bildsprache lasse ich mich ein, gefällt mir der Erzählduktus, habe ich Lust dieses Buch auch zum x-Mal vorzulesen oder mute ich das dem Elternteil zu, dessen Kind ich beschenken will? Bilderbücher muss man sich einfach anschauen oder sie sich in einer Rezension empfehlen lassen. Auch hier wird man bei uns keine Altersangabe finden, denn die Auswahl an guten Bilderbüchern, trotz Krise und hohen Preisen, ist vielfältig.

Nun zum Kinderbuch: Auch hier gilt, Altersangaben sind Schall und Rauch. Liest ein Neunjähriger bereits mit Begeisterung zumindest die ersten vier �Harry Potter�-Bände, so wagt sich ein anderes Kind viel später an die berühmte Zauberergeschichte. Muss es für Mädchen in einem bestimmten Alter wirklich das Pferdebuch sein? Was lesen Mädchen gern und vor allem wann, worauf stehen Jungen, wenn es nicht �Gregs Tagebuch� von Jeff Kinney sein soll? Woran orientiert sich jemand, der den Geschmack und die Neugier eines Kindes aufs Lesen wecken will und gezielt sucht? Eine Möglichkeit sind natürlich Buchempfehlungslisten, die in guten Buchhandlungen aushängen und im Netz zu finden sind. Aber auch hier sind die Favoriten mit Altersangaben versehen, die wage sind. Schaut man in die Feuilletons, dann gleichen sich die zu besprechenden Bücher mit Altersangaben, gerade in den Literaturbeilagen zu den Leipziger oder Frankfurter Buchmessen, als hätten sich die Redakteure abgesprochen. Aber in jedem Halbjahr erscheinen neben den hochgelobten Titeln auch viele andere lesenswerte, deren Chance wahrgenommen zu werden, gering ist.

Ein weiteres Problem ist natürlich, dass die Altersangaben generell richtig sein können, aber individuell falsch. Kinder im gleichen Alter sind oftmals nicht unbedingt auf dem gleichen Entwicklungsstand. Und junge Leser orientieren sich immer nach oben, d.h. sie wollen auf keinen Fall unterschätzt werden, auch wenn sie keine Leseratten sind. Der Funke zum Lesen springt nur über, wenn man ihnen etwas anbietet, was sie fordert, sie ernst nimmt. In solchen Situationen hilft keine Altersangabe, da hilft einfach nur eine passende Buchempfehlung.