LUFT UND LIEBE

Anne Weber: Luft und Liebe, S.Fischer Verlag, Frankfurt 2010, 256 Seiten, gebunden, �18,95

� Ich bin im wirklichen Leben gelandet, denkt sie, und im wirklichen Leben lügen Menschen, mitunter sind sie schwach und feige und für sich selber und andere eine Enttäuschung. Märchen oder medizinische Fortpflanzungshilfe, beides geht nicht, sagt sie, da musst du dich entscheiden.�

Die Erzählerin, die in Paris lebt, entschlie�t sich künftig ein �märchenfernes� Leben zu führen, nachdem ihr Romanmanuskript mit dem Titel �Armer Ritter� mit ihrer fiktiven Heldin Léa in den Papierkorb gewandert ist. War es ein Groschenroman, zu schlecht, um überhaupt der �ffentlichkeit zuzumuten? Doch wem ist nun wirklich diese unglaublich demütigende, wie banale Geschichte, die in einem Roman festgehalten werden musste, geschehen? Zu peinlich, um ein klares �Ich� zu formulieren. Sie, die Autorin, Anfang 40, hat sich nach einer nervenaufreibenden Scheidung und einigen auch dubiosen Liebeserlebnissen in ihn, den Ritter, verliebt. Er verehrt sie geduldig aus der Ferne bereits seit sechs Jahren. Wie hoch sind die Erwartungen an ein �spätes� Glück und Liebesleben? Einst aus adligem Geschlecht besitzt er in der Nähe von Paris ein einsam gelegenes, beeindruckendes Schloss mit Ländereien. Recht und schlecht hält er alles zusammen, denn vermögend ist er nicht, aber gefühlvoll und gewillt eine Familie zu gründen. Sie, die angehende Prinzessin, sucht in all den prachtvollen Zimmern nach einem passenden Arbeitsplatz und findet ihn doch spärlich unter dem Dach. Was hätte sie nicht alles schreiben können, wäre sie wirklich ins Schloss eingezogen? Von Luft und Liebe kann niemand leben, das wird der Autorin allerdings erst später bewusst werden. Erstaunlich schnell finden sich die beiden, sie wollen heiraten, planen bereits ihre Zukunft mit Kind. Allerdings muss die Medizin nachhelfen und das wird der springende Punkt für alle Beteiligten werden und der harte Kontrast zum poesievollen Liebesdasein.

Liest sich der Anfang des Romans etwas verdreht, reflektiert die Autorin selbstironisch peinlich ihre Handlungsweise, ummantelt umständlich die folgenden Ereignisse so zieht die �Märchengeschichte� den Leser im Laufe des klarer und leichter werdenden Handlungsverlaufes immer tiefer in den Bann, bis zur lächerlich tragischen Auflösung und fast komischen Interaktion zwischen der fiktiven Léa und der Autorin selbst. Das Verwirrspiel treibt die Autorin gern auf die Spitze, offenbart eigene Verletzungen und negiert diese wieder hinter sarkastischen Bemerkungen. Vielleicht sind es gerade die wahren Geschichten, die in keinem Roman je ihren Platz finden würden? Die Desillusionierung der Autorin durchzieht den letzten Teil des Romans und die Rache, die auf jede Enttäuschung unweigerlich folgen darf.

Ein spannender, wunderbar geschriebener Roman, bei dem gelacht und auch mitgelitten werden darf.