DAVON, frei zu sein

Meg Rosoff: Davon, frei zu sein, Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit, S.Fischer Verlag, FJB, Berlin 2010, 240 Seiten, �14,95

�Sie konnte ein Pferd besser handhaben als er, und jeder mit Augen im Kopf wusste, dass es stimmte.�

Arm und elend ist das Leben der Frauen auf dem Land in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England. Pell Ridley, Tochter eines ständig betrunkenen Pfarrers aus Nomansland, entschlie�t sich in der Nacht vor ihrer Hochzeit die Familie und den Bräutigam zu verlassen. Auf ihrem Pferd Jack reitet sie in eine unsichere Zukunft und nimmt aus Mitgefühl ihren stummen Halbbruder Bean mit. Dass er ihr Halbbruder ist, wei� sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Ihr Vater brachte den Jungen in die Familie mit und erwartete von seiner Frau, die fast nie aus dem Wochenbett steigt, dass sie ihn mitdurchfüttert. Allerdings ist der Hunger ein ständiger Begleiter der armen Familie und der neidvolle Kampf der Geschwister untereinander. Pell flieht, denn das elende Schicksal ihrer Mutter will sie nicht teilen. Immer wieder erinnert sich Pell auf ihrem Weg die endlose Stra�e entlang, an die Vergangenheit. In der Hoffnung Arbeit zu finden, begibt sie sich auf den Pferdemarkt von Salisbury. Von Pferden hat Pell wirklich Ahnung, doch niemand nimmt sie ernst. Nur Harris, ein Wildhüter, erkennt ihre Fähigkeiten und lässt sich beim Pferdekauf beraten. Die versprochene Summe, die er dem Mädchen für ihre Arbeit in Aussicht stellt, bleibt er ihr schuldig. Durch diesen Vertrauensbruch verlieren sich Pell, Jack und Bean aus den Augen. Ester, eine Zigeunerin, kreuzt allerdings immer wieder Pells Wege und das hat seinen Grund. Sie ist die Mutter von Bean. Nach einem langen Leidensweg wird er zu ihr finden. Pell kommt bei einem wortkargen Wilderer Dogman unter, der Harris kennt. Beide verlieben sich ineinander und leben für eine kurze Zeit zusammen. Pell jedoch muss immer wieder Erfahrungen machen, die sie bei ihrer Suche nach dem Bruder und ihrem Pferd schmerzlich treffen. Eng ist die Verbindung zwischen Mensch und Natur in dieser Zeit, obwohl in London bereits die ersten Fabriken ihren Rauch in die Lüfte schicken. Immer wieder dreht sich die Geschichte um Pell, auch um existentielle Fragen. Wie will ich leben? Kann ich als Frau frei leben? Pell hat, obwohl sie eine Frau ist, das Handwerk des Hufschmieds erlernt und wird damit ihren Unterhalt verdienen können.

Pell wird sich immer wieder erneut auf den ungewissen Weg begeben, um ihren Bruder zu finden. Eingebettet in eine atmosphärisch genau Beschreibung der Zeit und ihrer Umstände erzählt Meg Rosoff vom Leben eines ungewöhnlichen Mädchens, dass als Stallbursche für eine gewisse Zeit ihre Ruhe und Freude an der Arbeit finden wird. In einer betörend schönen Sprache folgt der Leser Pell, zittert mit ihr mit, freut sich oder verflucht die Umstände, die sie so hart arbeiten lassen. Mag der Buchtitel auch etwas spröde sein, die Geschichte ist warmherzig, mitrei�end und sehr empfehlenswert, wie alle Bücher der gro�artigen Autorin Meg Rosoff.