Mirjam Pressler: Bitterschokolade

Gulliver TB

Beltz & Gelberg, Weinheim 2010, 158 Seiten, �5,50

�Sie konnte nur noch an Essen denken, alles andere wurde unwichtig neben dem Verlangen, ihren Hunger zu stillen.�

Immer wieder versucht die 15-jährige Eva ihre Fresslust zu zügeln, aber sie schafft es nie. In der Klasse hat sie kaum Kontakt zu anderen Mädchen. Auch wenn die Neue, Franziska aus Hessen, immer wieder Angebote macht, Eva hat einfach Angst wieder enttäuscht zu werden. Es ist Sommer. Eva langweilt sich, sie mag nicht ins Schwimmbad gehen und lernen muss sie auch nicht, denn ihre Noten sind mehr als gut. Zwar ist der Vater stolz auf Evas Leistungen, aber er regiert die Familie mit harten Bandagen. Die Mutter ordnet sich in allem unter und tröstet ihre Tochter mit Schokolade. Eva lächelt alles weg, sie hat es nicht anders gelernt. Diskussionen sind in Evas Familie nicht möglich. Klappt etwas nicht, setzt es Ohrfeigen. Als Erika, Evas beste Freundin aus Kindergartenzeiten, die Stadt verlässt, tröstet die Mutter Eva wie immer mit Schokolade. Als Karola, ihre beste Freundin, sich einem anderen Mädchen zuwendet, greift Eva von ganz allein automatisch zur hei�geliebten, tröstenden Sü�igkeit. Diesen Kreislauf aus Selbsthass und Fressgier kann sie nicht verlassen, sich nicht befreien, denn jede Mahlzeit im bayerischen Haushalt ist deftig und extrem kalorienreich. Au�erdem herrscht im Nachkriegsdeutschland, das Buch ist immerhin 30 Jahre alt, die Auffassung, dass der Teller leergegessen wird. Wenn man nicht isst, dann stimmt etwas nicht. Doch dem Leser wird schnell klar, Eva fühlt sich nicht geliebt, sie ist mit sich und allem um sie herum unzufrieden.

Als der 15-jährige Michel sie mit seinem Fahrrad umfährt und freundlich wie schuldbewusst ihr hilft, verändert sich so einiges und doch kann Eva ihr Misstrauen nicht ablegen.

Mit Feingefühl und scharfer Beobachtungsgabe hat Mirjam Pressler ihren bisher meist verkauften ersten Jugendroman �Bitterschokolade� geschrieben. Wie wenig ihm die Zeit anhaben konnte, ist bemerkenswert. Mag sich in unseren Tagen das Verhältnis zwischen Eltern und Kinder geändert haben, so ist doch der innere Konflikt der Protagonistin vielen bekannt, die ebenfalls mit einem Diätbuch oder anderen Hilfsmitteln gegen die Funde und die eingeschleiften Essgewohnheiten kämpfen. Dickleibigkeit ist heute im Gegensatz zu vergangenen Jahre ein viel ernsteres Problem und ein aktuelles Thema für Mädchen wie Jungen.