DIE DONNERSTAGSWITWEN

Claudia Pineiro: Die Donnerstagswitwen, Aus dem Spanischen von Peter Kultzen, Unionsverlag, Zürich 2010, 315 Seiten, �19,90

�An unsere Kinder zu glauben, war aber gar nicht das Problem � was wussten die schon. Das Problem war, an uns selbst zu glauben.�

Die argentinische Schriftstellerin Claudia Pineiro umkreist in ihrem neuen Roman eine besondere Enklave am Rande von Buenos Aires, Altos de la Cascada genannt, eine wohlhabende Community und ihre Bewohner. Zum einen erzählt sie aus der Perspektive der Immobilienmaklerin Virginia Guevara, die sich im Laufe der Jahre ihr Business angeeignet hat, auch weil ihr Mann Ronie keine Geschäft mehr zustande bringt, und wie keine andere ihre Nachbarn kennt. Zum anderen stellt ein wissender Erzähler einzelne Personen und Familienkonstellationen vor dem Hintergrund der Belastungen durch die verschiedenen Wirtschaftskrisen der 90er-Jahre in Argentinien vor. Gleich zu Beginn werden aus heiterem Himmel drei Männerleichen im hauseigenen Swimmingpool von Tano Scaglias, auch den Hausherrn hat es erwischt, tot aufgefunden. �ber zehn Jahre hinweg im Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit erzählt Claudia Pineiro von 1991 bis 2001 vom Leben in der Privatsiedlung. Abgeschirmt in ihrem Areal, geschützt durch Kameras und Security ( nur wilde Hunde und Beutelratten stören den Frieden) kennen sich die Menschen, laden sich zu Geburtstagen ein, spielen Golf oder Tennis, nehmen an Feng-Shui-Kursen teil und ziehen ihre Kinder ohne Sicherheitsängste gro�. Wenn es um den Zuzug neuer Bewohner geht, dann will man allerdings unter sich bleiben, Koreaner, Juden oder Schwarze sind nicht erwünscht. Doch hinter jeder noch so abgeschirmten Mauer lauert auch das Versagen, der Abstieg und die Angst. Claudia Pineiro, die selbst in einem Country, um der Ruhe willen, lebt, zeigt in vielen episodisch angelegten Szenen, wie die nach au�en demonstrierte heile Welt der Familie im inneren schon längst zerstört ist. Alkoholabhängigkeit, Gewalt in der Ehe, die Abwesenheit von wahren Freundschaften, aber auch die Vernachlässigung der Kinder und das Schweigen zwischen Männern und Frauen in der Ehe seziert die Autorin genauestens. Ursprünglich waren es vier Männer, die immer gemeinsam ihre Abende am Donnerstag gemeinsam verbrachten. Ihre Frauen nannten sich die Donnerstagswitwen. Alles sollte immer so weitergehen und in dem Moment, wo die Männer erkennen, dass sie ihr Leben nicht so fortsetzen können, setzt jedoch keine Panik ein. Wohlüberlegt und selbstsicher versuchen die Ertrinkenden aus ihrem Tod noch Kapital zu schlagen. Einer scheut vor einem Verbrechen nicht zurück. Atmosphärisch dicht bleibt die Autorin an ihren Figuren und erzählt voller Hoffnung auch von der echten Zuneigung zweier Kinder, die mittlerweile zu Jugendlichen herangewachsen sind. Sie wollen hinaus in die Welt.

Die Tatsache, dass kurz vor der Veröffentlichung des Romans ein ähnlicher Fall in Argentinien tatsächlich stattgefunden hat, zeigt, wie nah die Autorin mit ihrer Geschichte an die Realität kommt.