EHRENWORT

Ingrid Noll: Ehrenwort, Diogenes Verlag, Zürich 2010, 326 Seiten �21,90

�Bisher hatte Harald überall das Idealbild einer glücklichen Familie verbreitet. Warum sollten daran Zweifel auftauchen?�

Kriminelles Potential ist bei jeder Figur vorhanden, die sich die Autorin Ingrid Noll mit ihren stolzen 75 Jahren ausdenkt. Die Palette reicht von Diebstahl, Korruption, Ehebruch, versuchtem Totschlag, Erpressung bis Mord und wird in dieser realsatirischen Komödie sattsam ausgelebt.

Max hat sein Studium geschmissen und verbringt die Tage, wenn er muss, in Opa Willis Häuschen, um ihm unter die Arme zu greifen und Geld einzusacken. Er wei�, wo der Schlüssel zum Tresor ist und bedient sich, denn er wird erpresst. Als Willi Knobel dann im Haus stürzt, Max hat nicht ordentlich aufgewischt, beginnt der Reigen der Verbrechen. Willis Sohn Harald hasst seinen geizigen und lateinische Sprüche deklamierenden Vater. Schwiegertochter Petra und Sohn Max beschlie�en den Alten zu sich zu nehmen. Harald tobt und plant seinen ersten Mord, der jedoch nie stattfindet. Petra schlie�t sich ihm an, denn sie kann den Gestank und den Krach ihres Schwiegervaters nicht mehr ertragen. Auch sie kapituliert. Dafür bringt sie den Erpresser ihres Sohnes ins Krankenhaus und ermordet ganz unfreiwillig den Schläger, der Max Angst einjagen soll. Ein kleines oder gro�es Verbrechen reiht sich ans andere. Nicht eine der Figuren, au�er Max, der sogar Altenpfleger werden will, ist sympathisch. Jedes Familienmitglied ist auf die eine oder andere Weise schuldig und zeigt seine unangenehmen, wie lächerlichen Seiten. Max lesbische Schwester Mizzi bezeichnet sich als Psychologin, obwohl sie immer noch in Berlin studiert und kümmert sich nur um sich. Haralds Schwester Karin ist gleich ganz weit entflohen und lebt in Australien. Alle, einschlie�lich Max, hoffen auf eine gute Erbschaft, wenn der 90-Jährige endlich ins Gras bei�t. Aber eigentlich erholt sich der Alte mit Hilfe seiner Pflegerinnen und Max' Unterstützung immer mehr. Als der alte Knobel seine Waffe anfängt zu reinigen, ahnt niemand, dass er sie auch wirklich benutzen wird.