Tontauben

Annette Mingels

DuMont Buchverlag, Köln 2010, 176 Seiten, 18,95 Euro

�Manchmal hat sie das Gefühl, als seien sie irgendwann gemeinsam untergetaucht und kämen nun wieder an die Oberfläche.�

Vielleicht verdrängt der Mensch den Tod aus seinem Bewusstsein, in der Literatur ist er in vielfältigen Varianten präsent, ob es um den Tod der Eltern, eines nahestehenden Menschen oder besonders schwer des eigenen Kindes geht.

Annette Mingels erzählt sprachlich und erzählstrategisch raffiniert vom Unfalltod eines dreizehnjährigen Mädchens. Yola fuhr mit dem Fahrrad nachts auf einsamer Landstra�e und wurde von einem Auto angefahren. Ihre ältere Schwester Karen plagt sich mit Schuldvorwürfen und flieht in die Musik. Die Eltern, Anne und David, leben sich auseinander. Der Vater versinkt in den Hintergrund, die Mutter versucht vordergründig und überaktiv ihr Heil in einer Selbsthilfegruppe. Frustriert wendet sie sich ab, beginnt eine Affäre mit Tristan, von dem sie glaubt, dass er ihre Lebenssituation nicht kennt und sucht eine neue berufliche Herausforderung, indem sie sich zur Maklerin ausbilden lässt. Atmosphärisch dicht handelt die Familiengeschichte auf einer windigen, Regen verhangenen Nordseeinsel, deren Landschaftsschilderungen auf herbe Weise auch die Seelenlage der Trauernden spiegelt.

Dann ein Szenenwechsel und der Leser wird mit einem neuen Schauplatz auf der Insel konfrontiert. Die Autorin erzählt von einem Mediävistenkongress, auf dem sich zwei Teilnehmer, Ester und Frank, sich näher kommen, über Schicksal und Zwangsläufigkeiten diskutieren und eine Liason beginnen. Wie diese beiden Geschichten zusammenhängen, versteht der Leser jedoch erst spät, denn beide Germanisten verlängern ihren Aufenthalt, geraten aber bei einer nächtlichen Autofahrt auf regennasser Fahrbahn in einen Streit, ein Aufprall am Kotflügel ist zu hören.

So verweben sich die Schicksale dieser Menschen, die sich nie begegnet sind und für den Leser bleiben viele Fragen, die nicht zu beantworten sind, offen.