Jeder professionelle Rezensent erhält im Frühjahr und Herbst ganze Berge von Neuerscheinungen. Nur ein geringer Bruchteil der aktuellen Bücher wird in Zeitschriften oder Rundfunksendungen besprochen.
Im Laufe der Zeit hat sich gerade im Kinder- und Jugendbuchbereich der Anteil an rezensierten Titeln verkleinert und Kritik ist kaum gefragt.
In dieser Website soll eine Auswahl an aktuellen Büchern präsentiert werden, die der Rezensentin Karin Hahn positiv oder negativ aufgefallen sind.
Karin Hahn ist Mitglied in der Jury "Die Besten 7 � Bücher für junge Leser�. Das ist eine Bestenliste für Kinder � und Jugendliteratur, die monatlich im Auftrag vom Deutschlandfunk und Focus zusammengestellt wird.
Sie arbeitet als Journalistin für die Sender Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk, schreibt für die Leipziger Volkszeitung, die Fachzeitschrift BuchMarkt und rezensiert Kinder- und Jugendbücher, Hörbücher und Kinofilme. Als Produzentin und Regisseurin war sie an der Veröffentlichung der Hörspiele "Alice im Wunderland" und "Der Wind in den Weiden" beteiligt. Karin Hahn ist verheiratet, hat einen Sohn und wohnt in Berlin.
ALS DAS MEER VERSCHWAND
Regie: Brad McGann
Von Geheimnissen und verborgenen Orten, die nur die finden, die weit in die Welt hinaus wollen, davon erzaehlt Brad McGanns Film. Eine Bibliothek wie eine Hoehle, immer wieder Karten oder ein Atlas dokumentieren die Ferne. Das man seinen inneren Konflikten und Geheimnissen auch in Europa oder Asien nicht entfliehen kann, erkennt Paul ( Matthew Macfadyen), der vor 17 Jahren seinen Heimatort, ein winziges Nest mitten in der kargen, wie idyllischen Landschaft Neuseelands verliess. Ein Babybild faellt ihm, dem introvertierten wie melancholischen Kriegsreporter und Fotograph, der zur Beerdigung seines Vaters zurueckkehrt ist, aus einem Atlas in die Haende. Celia steht auf der Rueckseite. Bilder. Ein Bild zeigt akribisch getrennt die Familie. Auf der einen Seite die manisch-depressive Mutter mit Andrew, auf der anderen Paul und sein widerspruechlicher Vater. War es nur die Sehnsucht nach der Ferne, die Paul getrieben hat oder Enttaeuschung und Ekel? Paul und Andrew finden nach der langen Zeit keinen Weg zueinander, keine Gespraechsgrundlage, keine Offenheit. Schuld. Missverstaendnisse besiegeln die Katastrophe.
Episch in die Breite gezogen, in Rueckblenden und Schluesselszenen enffalten sich die dramatische Geschichte. Paul begegnet Celia, einem 16 Jahre alten, talentierten, eigenwillig en Maedchen. In ihr sieht sich Paul gespiegelt. Mit ihr kann er reden, lachen, sich heimisch fuehlen. Celia, der Zuschauer ahnt es schnell, ist seine Tochter. Beider Beziehung wird im Ort argwoehnisch beobachtet, letztendlich sogar unterbunden. Doch fuer Celia und Paul gelten keine Verbote. Als Celia ploetzlich verschwindet, beginnt fuer Paul eine harte Zeit voller Zweifel, tiefer Trauer und ungeahnter Offenbarungen.
Matthew MacFadyen ueberzeugt in der Rolle des desillusionierten Weltenbummlers, der mit Celia wieder anfaengt zu leben.
Der Film schwelgt in Bildern, die die Stimmungen der Protagonisten aufnehmen. Die Inszenierung der Todessehnsucht in atemberaubend schoener Landschaft, wie den Selbstmord der Mutter, die bevor sie sich erschiesst auf einen Vogel zeigt, steht im klaren Kontrast zu den Kriegsbildnern, die Paul in der Schule Celias zeigt.