ICH WAR NIE BEI DIR

Leena Lehtolainen: Ich war nie bei dir, Deutsch von Gabriele Schrey-Vasara, Kindler, Rowohlt Verlag, Reinbek 2010, 352 Seiten, �19,95

â��Aber ich kann mir nicht helfen, ich denke immer wieder darüber nach, wann die Verbindung zwischen uns zerrissen ist.â��

Von den Höhen und Tiefen eines Ehelebens erzählt dieser fiktive Roman der bekannten, finnischen Krimiautorin, die sich nach eigenen Angaben in einer Schreib- und Lebenskrise befand. Bei einer Lesung traf Leena ihre ehemalige Kommilitonin Jaana, deren Mann Riku auf rätselhafte Weise während eines Urlaubes verschwunden ist. Niemand konnte erklären, was geschehen war. Jaana bittet Leena ihre Ehe-Geschichte anhand ihrer Aufzeichnungen und der Tagebucheintragungen von Riku zu rekonstruieren. So hofft sie zu verstehen. Nach einer längeren Bedenkzeit sagt Leena zu und beginnt sich durch die jahrelangen Aufzeichnungen hindurch zu arbeiten. Aus der anfänglichen eher Gleichgültigkeit wird im Laufe der Zeit doch leidenschaftliche Anteilnahme und Empathie für beide Eheleute. Durch die Tagebuchaufzeichnungen von Jaana Järvela und ihrem Mann Riku Rämesuo kann sich der Leser nach und nach ein Bild vom Zusammenleben und den Lebensgeschichten der beiden zusammensetzen. Als Jaana bemerkt, dass Riku ihre Tagebuch liest, beginnt sie am Laptop zu schreiben, führt aber mit belanglosen Eintragungen ihr ursprüngliches Tagebuch fort. Angespannt und sprachlos ist die Ehe der beiden geworden, denn Tierschützer kritisieren Riku und seine Arbeit als Pharmakologe öffentlich. Bedrohlich wird es für den Wissenschaftler und die Angst in der Familie wächst. Jaana arbeitet als Finnischlehrerin in einer Gesamtschule und hat wie Riku nach anfänglichem Enthusiasmus für den Beruf jegliche Ideale verloren. Beide haben zwei Kinder und wie in so vielen Ehen erdrücken der Alltag, die Abzahlung der Kredite und der Frust, den jeder mit sich selbst austrägt, das Zusammenleben. Riku interessiert sich immer weniger für die Kinder. Lotta ist mitten in der Pupertät und im Kleinkrieg mit ihrer Mutter und Lauri, 12 Jahre, braucht seinen Vater, der sich eher verweigert als SpaÃ� mit seinem Jungen zu haben. Riku vergisst sogar den Geburtstag seiner Frau. Die Familie wird für ihn immer mehr zum Hemmschuh. Bereits am Beginn ihrer Ehe zeigen die Tagebuchaufzeichnungen, wie sehr die Lebensvorstellungen beider auseinanderdriften. Jaana sucht die Nähe ihres Mannes und Riku wünscht sich Freiräume. Immer mehr verstummt er in der Ehe und beide verlieren das Vertrauen zueinander. Riku fasst einen Entschluss und bringt damit alles ins Wanken. Warum Leena sich dazu entschlossen hatte, diesen Tatsachenroman zu schreiben, löst sich erst am Ende des Buches auf und auch Rikus Verschwinden wird plausibel. Spannend liest sich dieser Eheroman, der nah am Leben entlang erzählt und immer auch beide Parteien im Blickfeld hat.