Annas Abschied von der romantischen Liebe

Gabriela Jaskulla: Annas Abschied von der romantischen Liebe, Dumont Verlag, Köln 2010, 304 Seiten, €19,95

„Diese eilfertige Anpassung, dachte Anna, das ist unsere Spezialität. Wege ebnen, Hindernisse aus dem Weg räumen, noch bevor der andere sie überhaupt wahrgenommen hat, glätten, harmonisieren, recht machen.“

Mit anschaulicher Intensität zieht Anna nach dem Scheitern ihrer kurzen Ehe Bilanz und sie geht mit sich hart ins Gericht. Stück für Stück nimmt sie Abschied von der „alten“ Anna und versucht endlich zu begreifen, dass alles Handeln Konsequenzen nach sich zieht. Eins ist aber unmissverständlich, sie hat, nun mittlerweile Anfang 40, Erkenntnisse gewonnen, über sich und über die Beziehung zu William. William, ihr um 15 Jahre älterer, mutwillig verlassener Ex-Ehemann beharrt auf seinen Positionen. Bereits am Beginn, als Rahmen angelegt, wird dem Leser verdeutlicht, hier wird in der Innengeschichte vom Scheitern erzählt. Anna, die leicht verunsicherte, sich in vielen Situationen als unzulänglich empfindende Hauptfigur, trifft William, der eigentlich Heinrich-Wilhelm Hartmann heißt. Er ruht in sich, kein verrückter Spinner, ein verständnisvoller, wohlhabender Mann, der weiß, wo es hingeht. Er ist nicht ihre große Liebe, der Sex ist eher lauwarm, aber er beruhigt sie. In einer Mischung aus Biedermann und Abenteurer, William besitzt ein Kleinflugzeug, präsentiert sich der wohlgeordnete Hausbesitzer und vereinnahmt Anna, die er Rabbit nennt. Romantisch ist der Heiratsantrag, sie sagt schnell ja und das Kammerspiel, die Tragödie beginnt. Er lässt sie in sein volles Haus und gelebtes Leben mit Prinzipien und erwartet Anpassung und berufliche Initiative. Scheinbar hat er sich kaum ein Bild von der Frau gemacht, die er geheiratet hat, denn alle ihre Ängste werden mit einer weltmännischen, wie überheblichen Floskel seinerseits weggewischt. Anna flüchtet sich in Kaufräusche und Passivität. Er verändert ihren Namen in Ana, als könnte er sich damit eine neue Frau modellieren, die an seiner Seite lebt. Langsam bröckelt die Fassade des kultivierten, so romantischen Mannes, der mechanisch die ehelichen Pflichten von ihr einfordert. Anna verliert sich selbst immer mehr in dieser Zweierbeziehung, die auf eine Katastrophe zusteuert. Sie flüchtet sich in ihre Kleinmädchenstimme und ihre vorgestellte Einfalt, er gewinnt Oberwasser und drängt sie in die Defensive. Der psychische und soziale Innendruck, der dabei entsteht, ist gewaltig. Anna und William können von Anfang an nicht miteinander reden und im Verlaufe der sich eingespielten Verhaltensmuster finden sie auch keine Gelegenheit mehr, sich auszutauschen. „Sie aßen und aßen.“ William füllt ihren Teller und sie erleidet eine Krankheit, wie ein Zeichen, nach der anderen. Am Ende als Anna all ihre Selbstachtung verloren hat, zeigt er sein wahres Gesicht.

Diesen Roman hat Gabriela Jaskulla mit Präzision und Plausibilität konzipiert und doch stellt sie ihre glaubwürdigen, gut beobachteten Protagonisten nicht bloß. Punktuelle Einblicke in Annas Kindheit und ihre daraus resultierende Entwicklung verdeutlichen auch ihr widersprüchliches Verhalten. Williams Weigerung über die Kindheit zu sprechen, offenbart ebenso Verletzungen. In kurzen, realistischen Situationen umreißt sie anschaulich, welche Erwartungen das Paar aneinander stellt und kläglich scheitern muss. Hätte sich Anna nicht aus dem Zweierbund befreit, dann wäre von ihrem Leben und ihrem Ich nicht das Geringste übrig geblieben. Gabriela Jaskullas Roman liest sich spannend, erhellend und ergreifend.