Jeder professionelle Rezensent erhält im Frühjahr und Herbst ganze Berge von Neuerscheinungen. Nur ein geringer Bruchteil der aktuellen Bücher wird in Zeitschriften oder Rundfunksendungen besprochen.
Im Laufe der Zeit hat sich gerade im Kinder- und Jugendbuchbereich der Anteil an rezensierten Titeln verkleinert und Kritik ist kaum gefragt.
In dieser Website soll eine Auswahl an aktuellen Büchern präsentiert werden, die der Rezensentin Karin Hahn positiv oder negativ aufgefallen sind.
Karin Hahn ist Mitglied in der Jury "Die Besten 7 � Bücher für junge Leser�. Das ist eine Bestenliste für Kinder � und Jugendliteratur, die monatlich im Auftrag vom Deutschlandfunk und Focus zusammengestellt wird.
Sie arbeitet als Journalistin für die Sender Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk, schreibt für die Leipziger Volkszeitung, die Fachzeitschrift BuchMarkt und rezensiert Kinder- und Jugendbücher, Hörbücher und Kinofilme. Als Produzentin und Regisseurin war sie an der Veröffentlichung der Hörspiele "Alice im Wunderland" und "Der Wind in den Weiden" beteiligt. Karin Hahn ist verheiratet, hat einen Sohn und wohnt in Berlin.
Jakob Hein, Kurt Krömer, Manuela Olten ( Ill.): Gute Nacht, Carola
Carlsen Verlag, Hamburg 2010, 32 Seiten, �14,90
�Da hörte sie plötzlich aus dem Dunkel eine tiefe, grauenvolle Stimme.�
Carola Brohm ist ein lebensfrohes, mutiges Mädchen. Gro�e Hunde schrecken sie genauso wenig, wie die Dunkelheit der Nacht oder das hohe Sprungbrett im Schwimmbecken. Dann eines Nachts tönt unter dem Bett des Mädchens eine dunkle Stimme hervor und ruft sie beim Namen. Unerschrocken spricht das Kind das haarige runde Monster mit der karierten Hose, dass sich das Böse nennt, an. Allerdings kann das böse Wesen nicht so genau formulieren, was �das Böse� eigentlich hei�t. Abgesehen davon hat das Böse nicht mal einen Nachnamen. Carolas Lieblingskuscheltier, den Pinguin Merlin, aus dem Fenster halten, ist auf jeden Fall böse. Das ärgert Carola mächtig. Sie ist auch sauer auf diesen sturen Typen, der ihr erzählt, er sei bereits tausend Jahre böse. Carola kann nicht an sich halten und muss ihm ihre Meinung sagen. Sie nennt ihn bockig. Daraufhin kann das Böse nur herzhaft kichern und zeigt, dass auch das Böse ein vielschichtiger Charakter ist.
Angst empfinden und überwinden ist immer wieder ein beliebtes Thema im Kinderbuch. Dieses Gefühl aber einfach mal auf den Kopf stellen, das haben die beiden Co-Autoren Kurt Krömer und Jakob Hein auf ihre Weise für Kinder und vorlesende Erwachsene getan. Sprachgewandt und geistesgegenwärtig lässt Carola ihre Angst um den kleinen Pinguin gar nicht erst aufkommen. Sie diskutiert lieber und geht dem anstehenden Problem auf den Grund. In farblich klaren Bildkompositionen erzählen Manuela Oltens Illustrationen, die sich aufs Wesentliche konzentrieren, mit vielen humorvollen Details ( aufgestellte Fü�e von Carola und Pinguin unter der Decke, Monster schläft mit Pinguin im Arm dann ein, hochgestelltes Bett, damit das Monster auch Platz hat u.v.m.) die Geschichte weiter. Manuela Oltens wahre Freunde sind nicht nur Jungen, sie kann auch herrlich frech Mädchen zeichnen und natürlich Monster, die es ja nicht wirklich gibt. Oder? ( Ebenfalls sehr zu empfehlen: Manuela Olten: Monster gibt�s wirklich. Oder?, Carlsen Verlag, 2010) Klar ist, Carola träumt nicht. Sie ist hellwach, wenn sie in ihrer nächtlichen Auseinandersetzung Klartext redet. Und dann endlich einschlafen kann.
Und die unmissverständliche Botschaft: Kinder sind nicht auf den Kopf gefallen, sie nennen die Dinge beim Namen und halten mit ihrer Meinung nicht hinter den Berg.