Peter Härtling: Paul das Hauskind

Beltz & Gelberg, Weinheim 2010, 184 Seiten, �12,95

�Ich bin ein unnötiges Kind�, sagte Paul.

Die Erwachsenen reden und reden. Und die Kinder? Sie laufen so neben her. Bei Peter Härtling, der nun nach 10 Jahren wieder ein Kinderbuch geschrieben hat, stehen an erster Stelle Beobachtungen, feinnervige Beobachtungen aus seinem Alltag und dem seiner erwachsenen Kinder. Und so erzählt er in einem Interview, dass für viele in den Drei�igern die Karriere an erster Stelle steht, ihr wird hintergejagt. Und das trifft auch auf die Frankfurter Kleinfamilie Beerbach zu, die in einem Mehrfamilienhaus wohnt. Der zwölfjährige Paul ist auf sich gestellt. Seine Mutter arbeitet in New York und Paul kennt eigentlich nur noch ihre Telefonstimme, die ihm bereits fremd ist. Sein Vater, ein Werbefachmann, reist in der herum und verfrachtet seinen Jungen in die Wohnungen der Nachbarn, die, ob Oma Käthe, Familie �dal oder die Kobers sich zuständig fühlen und doch auch irgendwie überfordert sind. Eine intakte Hausgemeinschaft übernimmt somit das Sorgerecht für ein Kind. Und Paul? Er fühlt sich abgeschoben, unwichtig, ja sogar unnötig. Er kann nicht begreifen, dass er wie ein Erwachsener funktionieren soll. Immer wieder lobt der Vater ihn für seine Selbstständigkeit und nennt ihn pflegeleicht, als wäre das Kind ein Teppich. Paul reagiert sich auf seine Weise ab, er ist wütend, bockt, gibt freche Antworten und läuft runter zum Fluss, um mit seinem Kummer klarzukommen. Seine Schulleistungen werden immer schwächer und immer wieder aufs Neue wird der Junge von seinem Vater vor vollendete Tatsachen gestellt. Der brummige Dr. Schwarzhaupt erkennt die Qualen des Jungen und versucht, diese zu mindern. Zum Alleingelassen werden kommt dann noch die Hiobsbotschaft, dass Pauls Eltern sich trennen werden. Niemand ist da als der Junge auf der Klassenfahrt sich das Schlüsselbein bricht. Und letztendlich zieht der Vater sich in eine Klinik zurück, um mit seinen Depressionen klarzukommen.

Im Laufe der Lektüre stellt sich ein Widerwillen gegen diese karriereorientierten, selbstverliebten Eltern ein, die ihrem Kind keine Sicherheit und auch keine Liebe geben können. Immer ist alles wichtiger, nur Paul bleibt auf der Strecke. Zwar wird der Junge immer eigenständiger, doch bleiben Leerstellen. Er kann sich nicht auf seine Eltern verlassen, ihnen trauen, schon gar nicht.

Peter Härtling bleibt sich treu. Ein versöhnliches Happy End ist in seinem realistischen Kinderroman nicht zu erwarten, aber dafür eine starke Hauptfigur, die alle Sympathien auf ihrer Seite hat. Die Entfremdung von seiner Mutter scheint für Paul bereits fast unüberbrückbar. Mag diese Hausgemeinschaft auch in ihrer sozialen Zusammensetzung idealisiert sein, existieren könnte sie vielleicht irgendwo in Deutschland.