WORLDSHAKER

Richard Harland: Worldshaker, Aus dem Englischen von Werner Leonhard, Verlagshaus Jacoby & Stuart, Berlin 2010, 390 Seiten, €16,95

„Ihr Leute vom Oberdeck seid gut darin, keine Ahnung von dem zu haben, wovon ihr nichts wissen wollt, hä!“ ... Col zögerte einen Moment, dann folgte er ihr

Der 16-jährige Colbert Porpentine lebt mit seiner angesehenen Familie, der Großvater ist der Oberfehlshaber, auf der Worldshaker, einem schwebenden Schiff. Auf dem Oberdeck leben die angesehenen Familien mit Königin Viktoria II.. Sie haben die Wahrheit gepachtet, so wurde es Col immer gelehrt. Unten dagegen vegetieren die Dreckigen. Col weiß nichts über diese Spezies. Die Dreckigen sind die Sklaven, die das Luftschiff, auch Juggernaut genannt, mit Kohle versorgen. Im Gegenzug erhalten sie die Essensreste vom Oberdeck und viel Dampf. Die preußischen, österreichischen oder französischen Juggernauten, die seit 200 Jahren existieren, bergen ebenfalls ihre Vorräte von den Dörfern auf der Erde. Sie zerstören gnadenlos alles, was ihnen im Weg steht. Col weiß wenig von der wahren Welt, aber er soll der Nachfolger seines Großvaters Sir Mormus werden. Doch eines Tages versteckt sich Riff, eine von den Dreckigen in seiner Kabine. Plötzlich erkennt Col, dass die die unten leben, sprechen können, flink sind und eindeutig Menschen. Aus dem Pool der Dreckigen wurde die 14-jährige Riff mit einem Haken herausgezogen, um zu einem Gesindling umgewandelt zu werden. Die Gesindlinge sind die devoten, sprachlosen Diener der privilegierten Menschen auf dem Oberdeck. Col hilft Riff und ahnt, dass die Grundordnung, wie er sie kennt, nicht mehr lang existieren wird. Auf dem Oberdeck herrscht eine dekadente Gesellschaft, die sich einer gnadenlosen Hackordnung unterworfen hat. Sir Mormus regiert über den Kopf der Königin hinweg mit eiserner Macht. Als Col nach den Jahren beim Privatlehrer in die Schule kommt, erlebt er wie erbarmungslos die machtvolle Clique in der Klasse herrscht. Der unfähige Lehrer Mr Gibbet denkt sich ständig neue Themen aus, um den Schülern willkürlich vorzuführen, was richtig und falsch ist. Col durchschaut diese Dummheiten und sehnt sich nach Riff, die ihn am Ende ihrer Begegnung, kurz bevor er ihr den Weg nach unten gezeigt hat, geküsst hat. Über die Versorgungsschütte wirft Col während eines Klassenausfluges ein Buch nach unten. Mehrere Mitschüler beobachten Col dabei, es kommt zum Kampf und Col landet bei den Dreckigen tief unten im Schiff. Zum ersten Mal kann er sich ein Bild über das grausame Prinzip der Gewalt und des Stärkeren machen, denn im rußverschmierten Unten entscheidet schnelles Reagieren über Leben und Tod. Mit Riffs Hilfe gelangt er wieder zu den seinen und doch ist er nun ein Aussätziger, denn für die gehobene Gesellschaft ist er beschmutzt. Sir Mormus stellt sich hinter seinen Enkel, aber nur um seine eigene Haut zu retten. Cols so friedliches Weltbild ist zerstört. Mit Hilfe seines Mitschülers Septimus und seines Privatlehrers informiert sich der Junge über die Geschichte der Dreckigen. Die oben unterdrücken die unten und nehmen sich ungeahnte Grausamkeiten heraus. Col weiß, dass er den Dreckigen bei ihrer Revolution helfen muss.

Richard Harland hat eine actionreiche, spannende Handlung über eine Gesellschaft erdacht, in der die einen von der Arbeit der anderen leben. Die Schmarotzer haben sich die Untertanen nach ihrem Vorbild geschaffen, aber die Unterdrückten entwickelten Fähigkeiten, die den Menschen auf dem Oberdeck entgangen sind. Der englische Autor konfrontiert zwei junge Menschen mit einem System, dass auf Ungerechtigkeiten basiert und dem Untergang geweiht ist. Dialogreich, voller unerwarteter Wendungen spinnt Richard Harland ein fiktives Geschichtsbild und zieht doch auch Parallelen zu unserer gegenwärtigen Welt. Lebt nicht auch die erste Welt auf Kosten der dritten? Die Revolution wird kommen und sie hat ihre Tücken. Das wussten bereits die Franzosen. Der Folgeband „Liberator“ wird zeigen, wie die Geschichte der Juggernauten weitergeht.