Jeder professionelle Rezensent erhält im Frühjahr und Herbst ganze Berge von Neuerscheinungen. Nur ein geringer Bruchteil der aktuellen Bücher wird in Zeitschriften oder Rundfunksendungen besprochen.
Im Laufe der Zeit hat sich gerade im Kinder- und Jugendbuchbereich der Anteil an rezensierten Titeln verkleinert und Kritik ist kaum gefragt.
In dieser Website soll eine Auswahl an aktuellen Büchern präsentiert werden, die der Rezensentin Karin Hahn positiv oder negativ aufgefallen sind.
Karin Hahn ist Mitglied in der Jury "Die Besten 7 – Bücher für junge Leser“. Das ist eine Bestenliste für Kinder – und Jugendliteratur, die monatlich im Auftrag vom Deutschlandfunk und Focus zusammengestellt wird.
Sie arbeitet als Journalistin für die Sender Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk, schreibt für die Leipziger Volkszeitung, die Fachzeitschrift BuchMarkt und rezensiert Kinder- und Jugendbücher, Hörbücher und Kinofilme. Als Produzentin und Regisseurin war sie an der Veröffentlichung der Hörspiele "Alice im Wunderland" und "Der Wind in den Weiden" beteiligt. Karin Hahn ist verheiratet, hat einen Sohn und wohnt in Berlin.
EINE KURZE WELTGESCHICHTE
Christoph Waltz liest Ernst H. Gombrich: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser,
Von den Anfaengen bis zum Mittelalter, Argon Verlag, Ungekuerzte Lesung, Gesamtlaufzeit: 342 Minuten, 5 CD’s mit Booklet, 19,95 Euro
Von der Renaissance bis heute, Argon Verlag, Ungekuerzte Lesung, Gesamtlaufzeit: 271 Minuten, 4 CD’s mit Booklet, 19,95 Euro
Der oesterreichische Kunsthistoriker Ernst Hans Gombrich verstarb hoch geehrt vor fuenf Jahren in London. Immer wieder erscheinen Neuauflagen seines unvergleichlichen Sachbuches „Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser“. Im hohen Alter hat Gombrich das Buch nicht umgeschrieben. Nur ergaenzt.
Nach seiner Doktorarbeit begann Gombrich mit seinen Aufzeichnungen. Erstmals 1935 wurde dann die Geschichte der Menschheit von der Urzeit bis zur Gegenwart veroeffentlicht und immerhin in 21 Sprachen uebersetzt.
Ueber die Entstehungsgeschichte dieses Sachbuch-Klassikers wurde erzaehlt, dass der Kunsthistoriker Ernst Gombrich, als er 26 Jahre alt war, von einem kleinen Maedchen gefragt wurde, was er den ganzen Tag lang tue, und er begann zu erzaehlen. Und weil er der wissenschaftlichen Arbeit nach der Promotion etwas muede war, zudem arbeitslos, schrieb er zunaechst auf, was er Kindern ueber die Ritterzeit mitteilen wollte. Sein Idee beeindruckte einen Verleger und er teilte Gombrich mit, dass er in sechs Wochen gern das ganze Manuskript ueber die Weltgeschichte haben moechte.
Gombrich war einverstanden und hatte sich so einen Berg Arbeit organisiert. Jeden Tag schrieb er ein Kapitel, las morgens, was der elterliche Buecherschrank hergab, las nachmittags in der Bibliothek und abends schrieb er. Nach sechs Wochen gab er sein Manuskript von 300 Seiten ab. Gombrichs „Weltgeschichte“ ist heute so frisch wie am ersten Tag.
Ohne den Leser mit Jahreszahlen oder verbuergten Daten zu maltraetieren, wandert Gombrich entspannt, aber konzentriert durch die Geschichte der Menschheit. Immer wieder spricht er den Leser direkt an „ Du weißt ja...“ und baut auf die Neugier und das Interesse seines Lesers oder Zuhoerers. Er plaudert stellenweise, erzaehlt anschaulich und abwechslungsreich, doziert nie, laesst Anekdoten einfliessen, knuepft Verbindungen, liest aus historischen Schriften vor, geht Worten etymologisch auf den Grund und regt zum Denken an. In welchem Zusammenhang entstand das Wort Hexenschuss oder wie viel zahlten die Menschen bei der Belagerung Wiens durch die Tuerken fuer eine Katzenmahlzeit? Wie kam es zur Entstehung des Wortes Kaiser?
Jeder Zeitabschnitt wird dabei vom Kunsthistoriker Gombrich locker leicht und auch mit persoenlichen Bemerkungen begonnen. Der Autor vermag Epochen und Weltkulturen in wenigen Abschnitten kompakt und lebendig zusammenzufassen, ohne wichtige Informationen auszusparen.
Keine Frage, das Buch ist wie geschaffen zum Vorlesen. Der oesterreichische Schauspieler Christoph Waltz liest in einem wohltemperierten, ruhigen Ton und zieht den Hoerer durch sein offenbar eigene, unaufgesetzte Neugier und seinen leisen Humor in die einzelnen Abschnitte des Buches hinein. Der unglaublich einfache Stil, in dem Gombrich komplexe Zusammenhaenge zu berichten vermag, spricht durch seine Leichtigkeit junge Leser an, aber auch Erwachsene.