Joshua Ferris: Ins Freie

Aus dem Amerikanischen von Markus Ingendaay

, Luchterhand Literaturverlag, München 2010, 352 Seiten, Euro 19,99

� Er fühlte sich wie ein illegaler Einwanderer, dessen Aufenhaltsstatus im Land seiner Träume völlig ungesichert war; jederzeit konnten unberechenbare Behörden seine Duldung widerrufen und ihn in das alte Elend abschieben.�

Tim Farnsworth, ehrgeiziger und erfolgreicher Anwalt aus New York, leidet an einer unbekannten, wie unerklärbaren Krankheit. Von einer Sekunde zur nächsten beginnt er zu laufen. Ohne Ziel, ohne Auslöser, einfach so immer gerade aus bis zur Erschöpfung. Jane, seine Frau, und Becka, seine Tochter, fürchten diese Ausbrüche. Er schläft dann irgendwo, orientiert sich, ruft an und Jane holt ihn, meistens mitten in der Nacht, ab. Allerdings sind diese Wanderungen für Tim auch gefährlich, besonders im Winter. Abgefrorene Zehen, aber auch gewalttätige �bergriffe gehören zu seinem Leidensweg, den die Familie kaum noch mittragen kann. Mal sind die Abstände zwischen den Ausbrüchen der unberechenbaren Lauflust kürzer mal länger. Weder Tim noch Jane wissen bei wie vielen �rzten sie Rat gesucht haben. Am Ende hat Jane Tim einfach nur noch am Bett angebunden, in der Hoffnung alles wird gut. Aber das wird es nicht. Tim verliert seine hochdotierte Stelle, da er mitten in Besprechungen und Gerichtsverhandlungen einfach so ohne Erklärungen aufgebrochen ist. Jane erträgt nur noch in alkoholisiertem Zustand ihren Alltag. Sie arbeitet als Immobilienmaklerin und findet nicht mehr zu ihrem inneren Gleichgewicht. Unerträglich ist das Leben der Farnsworth, ohne Hoffnung auf Veränderung oder Stabilität.

Der amerikanische Autor Joshua Ferris wechselt immer wieder die Erzählperspektiven und zeigt aus Tims, wie Janes Sicht wie unterträglich der Abstieg aus der Sicherheit ist. Und er arbeitet mit Rückblenden und Zeitverschiebungen, die dem Leser nicht entgehen dürfen, um den Faden nicht zu verlieren.

Auch wenn die beiden umziehen, Tim beschlie�t seinen Job zu kündigen, die Familie ist zerstört, denn Tim scheint durchzudrehen. Er kehrt von seinen Ausflügen nicht zurück und bittet Jane nicht mehr, ihn zurückzuholen. Mit Geld, aber wie ein Penner vegetiert er auf den Stra�en. Immer wieder ruft er an, ringt mit sich und scheint doch wie gefangen in einem Kokon.

Nicht einfach ist diese Lektüre, obwohl sie so unterhaltsam, ja fast spannend beginnt. Bedrückend die Vorstellung, dass trotz bester Voraussetzungen, Talent, Karriere, materieller Sicherheit und Häuschen im Grünen, das Lebensglück einfach so den Bach hinuntergehen kann.

Ein verstörendes Leseerlebnis, das sich lohnt.

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