Julie und Schneewittchen � Schlimmer geht�s immer

Franca Düwel

Arena Verlag, Würzburg 2010, 276 Seiten, �12,95

"Leide anscheinend an Realitätsverlust, gepaart mit mangelndem Rückgrat. Merke noch nicht einmal, wenn man mich ausnutzt!!!�

Nicht nur Bridget Jones vertraut ihrem Tagebuch ihre filmreifen Eindrücke an, auch die 12-jährige Julie hat viel zu erzählen, denn in ihrem Leben geht momentan einiges durcheinander. Kaum hat ihre Mutter die sü�e, pausenlos schreiende Ottilie bekommen, fällt sie auch bereits in eine Depression und heult ebenfalls den ganzen Tag lang. Julies Vater kümmert sich rührend um das Baby, muss allerdings nach einer gewissen Zeit wieder als Werbetexter arbeiten, um die Brötchen zu verdienen. Julie hadert mit sich, denn sie hat noch nie einen Jungen geküsst und scheint in ihrer beliebten Mädchenclique wirklich in puncto Entwicklung etwas zurückgeblieben.

Eng mit Hanna, der zweiten Heidi Klum in Kleinformat, befreundet, glaubt Julie sich auf der sicheren Seite. Doch als Scharina in die Klasse kommt, beginnt Hanna gegen die Neue eine gemeine Mobbingattacke. Sie streut hier und da ein paar Gerüchte, verbreitet Lügen und beeinflusst Julie, die mit dem neuen Mädchen irgendwie Mitleid hat. Allerdings reagiert Scharina auf Julie und ihr Mitgefühl ziemlich aggressiv. Als Julie bemerkt, dass Scharina von jemandem in der Familie geprügelt wird, muss sie etwas unternehmen. Sie schaltet das Jugendamt ein. Doch nun wird alles noch komplizierter, denn Scharinas älterer Halbbruder Kevin bedroht Julie und ihre Familie. Doch auf wen kann Julie zählen, nachdem ihre beste Freundin Hanna sich als Lügnerin und Egoistin entpuppt hat? Wohlstandsverwöhnt, selbstverliebt und herrisch duldet Hanna von ihren Freundinnen keinen Widerstand. Auch Julie hat sich den Ansprüchen Hannas untergeordnet bis ihr die Augen aufgingen. Dabei hat sich die selbstbewusste Hanna in den älteren Ben verliebt und Julie soll die Liebesbotin sein, dabei hat Julie gar nicht bemerkt, dass Ben sie viel mehr mag als Hanna. Noch ein Problem. Neben dem Chaos der Gefühle eskaliert die Situation auch noch in Julies Familie, denn Julies Mutter hat einen Verdacht und der richtet sich gegen ihren Mann. Alle Freundinnen haben sich nun um Hanna gescharrt und nicht eine hält zu Julie.

Die beherzte Julie kann jedoch Scharina nicht allein lassen, denn sie ahnt, dass sie zu schwach ist, um sich gegen den brutalen, immer angetrunkenen Kevin zu wehren. In ihrem Tagebuch hält Julie alle Ereignisse genauestens fest und registriert zu Beginn jeweils die Höhepunkte und Tiefpunkte. Im Laufe der Zeit häufen sich allerdings die Tiefpunkte und die Seiten, die offenbar von Tränen ziemlich verschmiert sind. Julie jedenfalls ist sehr mutig und sie bleibt sich treu. Das macht sie liebenswert und ziemlich authentisch, denn in den entscheidenden Situationen ärgert sie sich immer, dass ihr nicht die richtigen Worte einfallen.

Franca Düwel lotet in ihrer so leichthändig geschriebenen Geschichte ernste gesellschaftliche Konflikte aus, die Kindern heutzutage sehr vertraut sind, ob es nun um gezieltes Mobbing oder um extreme soziale Probleme in der Familie geht. Dabei umschifft sie nicht die heiklen Fragen und lässt Julie unbekannte Worte nachschlagen und in Fu�noten, z.B. Dammschnitt oder asexuell erklären. Das liest sich trotz aller Höhen und Tiefen im Leben Julies sehr komisch, denn das Mädchen ist nicht die Allwissende, sie muss erst ihre Erfahrungen, auch wenn diese schmerzen, durchleben und das macht sie so sympathisch. Das Happy End und eine gerechte Strafe allerdings müssen einfach sein, denn zu sehr hat die Leserin mit Julie und Scharina mitgelitten und begonnen Mädchen wie Hanna und schwache Teenager wie Kevin zu verabscheuen.

Die zweite Tagebuchband � Julie und die Schwarzen Schafe� ist bereits erschienen und wer Julies Bekenntnisse verschlungen hat, der sollte unbedingt weiterlesen.