Jenna-Belle wohnt hier nicht mehr

Alyssa Brugman: Jenna-Belle wohnt hier nicht mehr, Aus dem Englischen von Ulli und Herbert Günther, Carl Hanser Verlag, München 2010, 233 Seiten, €14,90

Geräumig und komfortabel ist das Haus, dass Jenna-Belle und ihre Familie bewohnt. Will, ihr Bruder, und sie gehen auf Privatschulen, die Eltern arbeiten in lukrativen Jobs und die Welt ist in Ordnung. Doch dann beginnt der Absturz, der Verzicht auf alles. Jenna-Belle registriert als Erzählerin jede Stufe auf dem Weg nach unten. Immer in kurzen Rückblenden erinnert sie sich an die Zeit als sie noch eine heile Familie waren, teure Urlaube in Europa genossen und nicht ihre Zimmer vermieten und die Sachen auf dem Flohmarkt vor dem Haus verhökern mussten. Jenna-Belle wird bei ihren Gedankengängen von dem hypochondrischen Nachbarsjungen Declan begleitet. Er liebt sie, aber sie empfindet eigentlich nur freundschaftliche Gefühle. Bei ihm kann sie den Kühlschrank leeren und abhängen. Als Jenna-Belles Vater in der Selbstständigkeit versagt und nur noch auf dem Sofa herumliegt, vermutet das Mädchen bereits nichts Gutes. Dann ist ihre Mutter schwanger und der Vater verlässt die Familie von einem Tag zum anderen. Jenna-Belles Schulgeld wird nicht mehr überwiesen und sie wird von der Finsbruy School gefeuert. Ihren sogenannten Freundinnen Tanner und Sapph weint sie keine Träne nach und doch bedrückt Jenna-Belle immer mehr die Lethargie ihrer Mutter. Sie kümmert sich nicht mehr ums Essen, zahlt keine Rechnungen und streichelt ihren Bauch. Die Spirale des Abstiegs jedoch wird immer enger, der Strom wird abgeschaltet, die Familie wird gezwungen das Haus zu verlassen und erlebt sogar gewaltsame Übergriffe. Jenna-Belle verbringt nun ihre Zeit mit dem neuen Untermieter Bryce Cole auf der Rennbahn beim Wetten. Die Erzählerin fragt sich immer wieder, wo ihr Vater eigentlich abgeblieben ist. Es heißt, er sei auf dem Land. In Wahrheit hat er eine Freundin und will mit ihr ein neues Leben in Neuseeland beginnen. Jenna-Belle ist zutiefst enttäuscht, zumal sie nun mit ihrer Familie mittellos auf der Straße steht.

Jenna-Belle stellt sich viele Fragen und gelangt erst nach und nach hinter die Geheimnisse, die ihre Eltern vor ihr verbergen. Sie beobachtet die Hilflosigkeit der Erwachsenen und gerät selbst aus ihrem gewohnten Gleichgewicht. Hat sie in Will und Declan eine Stütze, so kann sie doch nur tatenlos zusehen wie alles den Bach hinuntergeht. Faszinierend berichtet die australische Autorin Alyssa Brugman aus der Sicht ihrer Protagonistin von der verzweifelten Mühe der Erwachsenen ihr Leben in Krisenzeiten zu meistern. Das liest sich unerwartet leicht und berührt doch zutiefst.